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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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gelassen.« Ich nickte. »Klar. Was war es noch mal?«
    Er schaute hinunter auf den Tresen. Ich wusste genau, dass er nicht gesagt hatte, was es war.
    »Wenn es so sehr wichtig ist«, sagte ich, »dann frag doch Delilah, ob sie es dir holt. Sie geht auch sonst hier raus; sie hat keinen Grund, sich zu verstecken. Oder wenn es dir peinlich ist, dass eine Frau es sieht, dann bleibt immer noch Ernst. Wo ist das Problem?«
    Paul nickte merkwürdig zögernd, aber sein Blick war angespannt, skeptisch. Ich hatte ihn nicht gefragt, warum er es nicht einfach selbst holte, blond und blauäugig, wie er war. Er hatte Angst, das war offensichtlich. Ich wusste nicht recht, warum Paul die Sache überhaupt angesprochen hatte, aber dann fiel endlich der Groschen.
    »Ach so«, sagte ich, »du willst, dass ich es hole. Wenn du das möchtest, geh ich. Sag mir einfach, was es ist.«
    Pauls Gesicht hellte sich erleichtert auf, aber dann versank er gleich wieder in dumpfes Brüten. Langsam schüttelte er den Kopf. »Nein, Sid, ich kann dich nicht darum bitten, dass du da raus gehst.« Er legte seine fahrige Hand auf meine Schulter und sah mich lange an.
    »Dann frag Delilah. Es macht ihr bestimmt nichts aus, in der Wohnung vorbeizuschauen.« Aber ich sah schon an der
Art, wie seine Mundwinkel sich ganz leicht nach hinten bewegten, dass er sie niemals darum bitten würde. Innen drin war Paul eisenhart. »Meinst du, ihr Mantel ist warm genug?«, fragte ich unvermittelt. »Ist er nicht zu leicht? Es ist kalt hier.«
    Paul schüttelte verwirrt den Kopf. »Was?«
    Der Junge trötete immer noch Tonleitern rauf und runter.
    »Delilahs Mantel«, sagte ich. »Meinst du, der ist warm genug? Sie kommt aus Paris, wo es so richtig Sommer ist. Das Ding sieht ein bisschen leicht aus. Sie muss doch frieren hier.«
    Pauls Schultern sanken schlaff herunter. »Ich weiß nicht. Einen neuen Mantel kann man immer gebrauchen, denk ich mal.«
    Ich nickte. »Genau das hab ich mir auch überlegt.«
    Ganz plötzlich ging Hiero auf der Bühne zu einer Melodie über. Sie klang so neu und frisch, dass ich sie zuerst nicht wiedererkannte. Aber dann wusste ich plötzlich, was es war: der Empty Bed Blues . Er spielte den Empty Bed Blues, aber so, dass er vollkommen verändert klang. Die Musik hatte zugleich was Schüchternes und Kokettes, so wie junge Mädchen sind, und er ließ kleine Lücken für eine Singstimme.
    Delilah wirkte überrascht, bezaubert, ihr Mund stand etwas offen. Sie machte ein paar träge Barfußschritte nach vorn. Sie starrte Hiero an, hob die Arme, ein Ruck ging durch ihre Schultern.
    »When my bed get empty, make me feel awful mean and blue«, klagte sie. »When my bed get empty, make me feel awful mean and blue. My springs are getting rusty, sleeping single like I do.«
    Paul lächelte mich an.
    Verdammt. Ihre Stimme arbeitete wie ein Muskel. Sie war dunkel und volltönend, mit einem leichten Beben, das die Anstrengung verriet. »When you get good lovin, never go and spread the news. Yes, he’ll double-cross you, and leave you with them empty bed blues.«
    Sie schlang das dicke, starke Tau ihrer Stimme um die Wörter, stürzte sich auf sie, band sie zusammen. Dann schleuderte sie die Töne kühn in die Luft, hoch und schmetternd. Aber im Grunde war es eine Seemannsstimme, rau und männlich. Ihre tiefen Töne klangen bitter krächzend, trübe und voller Reue.
    Als ich sie so hörte, Delilah und den Jungen, da sammelte sich in mir eine unheimliche Energie, ein seltsam zielloses Gefühl. Das kam nicht vom Czech, nicht nur vom Czech. Ich fühlte mich verschrumpelt, meine Kehle war trocken, ich war wie ausgesaugt. Dann ließ der Junge seine Trompete sinken und lächelte ihr schüchtern zu. Und sie stand da, schaute ihn an, und ein ganz besonderes Strahlen ging von ihr aus. Ich dachte: So ein Geschenk kann ich ihr niemals bieten. Unmöglich.
    Dann spürte ich einen Blick in meinem Rücken und drehte mich um. Chip stand auf der anderen Seite der Tanzfläche und schaute mich unverwandt an. Sein Gesicht verdüsterte sich, er schüttelte den Kopf.
    Die blöde Decke fing an, Karussell zu fahren. Pauls Hand lag auf meiner Schulter.
    »Mann, du bist ja sternhagelblau.« Er grinste.
    »Voll wie eine Haubitze«, murmelte ich.

    Am Abend waren wir immer noch betrunken.
    Delilah ging uns allen unter die Haut, niemand konnte ihr
widerstehen. Keiner von uns war unempfänglich für ihre unkonventionellen Komplimente, ihre Salven von neckenden Beleidigungen, die Art,

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