Spiels noch einmal
es.
»Verdammt, Fritz«, sagte der Junge. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Fritz.« Ernst nickte. Aber Fritz regte sich nicht.
Wir alle beobachteten ihn.
Er wedelte schwach mit seinen großen Pranken. »Ich hab mich sofort auf den Weg hierher gemacht, als ich es erfahren habe.« Er klang traurig. »Armer Paul, mein Gott. Wieso ist er nicht hier geblieben?«
Ich starrte auf Fritz’ gerötete Nase, die mit fetten schwar
zen Mitessern gesprenkelt war, und dachte: Mann er sieht wirklich furchtbar aus.
»Es geht nicht allein um Paul«, sagte Ernst.
»Delilah ist auch weg«, sagte ich.
Fritz sah mich an. »Armstrongs Tussi?«
Chip stand abrupt auf. Die Beine seines Stuhls schrammten über den Boden. »Sids Tussi«, sagte er angewidert. »Du warst lange weg, Mann.«
Fritz runzelte die Stirn. Seine schmalen Lippen waren ganz weiß an den Mundwinkeln.
Plötzlich wollte ich nur noch weg von hier, mir den Hals durchschneiden, egal was, nur weg. Ich regte mich nicht.
»Delilah Brown«, sagte Ernst. »Die Sängerin, die Armstrong aus Paris hergeschickt hat. Sie ist zusammen mit Paul verschwunden. Keiner weiß, wie und warum.«
Fritz lehnte sich an den Tresen der Bar. »Von einer Frau war nicht die Rede. Ist sie Amerikanerin?«
»Ja, und auch Kanadierin.«
»Seid ihr sicher, dass sie zusammen mit ihm unterwegs war?«
Aber Ernst musterte ihn, tief in Gedanken versunken, mit sehr dunklen Augen. » Was hast du erfahren, Fritz? Wieso hast du beschlossen, hierher zu kommen?«
Fritz schüttelte den Kopf. »Na ja, dass Paul festgenommen worden ist.«
»Mein Gott«, murmelte Chip.
Fritz sah uns an. »Ihr habt das nicht gewusst?«
»Nein.« Ernst lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Aber in seinen Bewegungen lag etwas Hartes, so als bemühte er sich mit aller Kraft, nicht zu fühlen, was er fühlte.
»Was heißt das: festgenommen?«, fragte der Junge ängstlich.
»Sie haben ihn nach Sachsenhausen gebracht. Heute Morgen. Ich weiß nicht, mit welcher Begründung. Das Übliche, nehme ich an.«
»Das Übliche«, sagte der Junge. Es klang eine Bitternis darin, die ich noch nie gehört hatte.
»Verdammte Scheiße«, flüsterte Chip. Er fuhr sich übers Gesicht und starrte auf den abgewetzten Fußboden.
Die Katze stand auf, streckte sich und legte sich wieder hin. Sie begann ihre Pfoten zu lecken.
Ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas in meiner Brust kaputtging, vielleicht fiel die Lunge in sich zusammen. Ich atmete rasend schnell und flach. Sachsenhausen . Keiner von uns musste fragen, was das war. Selbst wenn man in einem fensterlosen Loch lebte, wusste man, was dieser Name bedeutete.
Im Aufenthaltsraum hinter der Bühne tropfte ein Wasserhahn. Der Fußboden vibrierte leicht, wahrscheinlich fuhr draußen auf der Straße ein Lastwagen vorbei. Ich hörte den Jungen atmen.
»Was ist mit seinem Ausweis?«, fragte Hiero. »Er hatte doch sicher seinen Ausweis dabei, oder?«
Fritz schüttelte den Kopf. »Danach hab ich nicht gefragt.«
» Wen hast du nicht gefragt?«, sagte Ernst. »Wo hast du das alles erfahren?«
Sachsenhausen, dachte ich. Verdammt.
Fritz sagte lange nichts. Sein Gesicht sah aus, als wäre er errötet, aber es sah immer so aus. Er steckte seine großen Hände in die Hosentaschen. Nach einer Weile seufzte er. »Al
bert Basel«, sagte er. »Ich hielt mich in einer Wohnung versteckt, die ihm gehört. Ich hoffte, die Sache würde vorbeigehen.«
»Albie Basel!«, schrie Chip. » Albie Basel? «
»Wie kommst du dazu?«, sagte ich. »Der Kerl hat uns praktisch abgeschlachtet.«
»Es war immer noch besser, als hier bei euch zu bleiben«, sagte Fritz finster. »Was soll das bringen, wenn wir alle am selben Ort zusammenhocken? Aber ich hätte es euch sagen sollen. Tut mir leid.«
»Ah, ihm tut’s leid «, zischte Chip.
Fritz stand da wie eine Wachsfigur. »Halt die Klappe, Chip. Ich meine es ehrlich.«
»Ja, klar. Wenn du nicht am helllichten Tag hier rausspaziert wärst, hätten die Nazis vielleicht gar keinen Verdacht geschöpft. Aber so sind sie noch am selben Morgen hier angerückt, nachdem du weg warst. Hast du das gewusst?«
»Wenn du den armen Kerl nicht umgebracht hättest, wären wir gar nicht erst in diese Situation geraten.«
»Den armen Kerl?«, sagte ich. »Meinst du den, der dem Jungen diese Flasche an die Kehle gehalten hat?«
Fritz schaute mich finster an. »Du weißt genau, was ich meine.«
»Es reicht«, sagte Ernst.
In dem harten Licht wirkten unsere Gesichter
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