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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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einen Blick zurück auf das riesige Haus. »Mein Vater ist da.«
    »Hat er sie? Hat er unsere Papiere?«
    »Ich hoffe es.« Ernst legte eine Hand auf meine Schulter. »Komm mit. Ich stell dich ihm vor. Er soll sehen, dass er es mit wirklichen Menschen zu tun hat.«
    Er führte mich in einen gepflasterten Hof, wo ein verwitterter, mit Efeu überwachsener alter Brunnen stand, durch einen Torbogen und eine lange Treppe hinauf in einen Teil des Hauses, wo ich noch nie gewesen war. Von überall schauten fette Gipsadler auf mich herab, die Schwingen ausgebreitet, zum Fürchten. Lauter zierliche vergoldete Möbel, an den Wänden Spiegel und cremefarbene Vorhänge. Es roch nach frischen Lilien.
    »Das ist der Ostflügel.« Ernst lächelte bitter. »Unser Polen.«
    Auf dem Treppenabsatz stand Rummel. Er nickte Ernst knapp zu. Er trug einen faden schwarzen Anzug, sein langes Gesicht wirkte säuerlich. Er führte uns durch einen luftigen Korridor mit hohen Glasfenstern, die zum Garten hinausgingen. Hiero hatte mir mal von Charon erzählt, dem griechischen Fährmann, der die Toten über den Fluss in die Unterwelt brachte. Rummel kam mir vor wie dieser Charon. Seine Augen waren so bleich, dass man denken konnte, er sei blind.
    Wir kamen zur Tür des Arbeitszimmers. Ernst entließ Rummel, dieser verbeugte sich, drehte sich um und trat geräuschlos den Weg zurück zur Treppe an.
    Ernst fasste mich am Arm. »Pass auf, Sid, mein Vater ist nicht wie andere Leute. Der kann sehr raffiniert sein.«
    »Rummel?«, rief eine Männerstimme. »Sind Sie das?«
    »Nein«, antwortete Ernst. Er sah mich an. »Nimm dich vor ihm in Acht.«
    Er nahm die Schultern straff zurück, öffnete die Tür und trat ein.
    Ich folgte ihm. Der blaue Teppich unter meinen Füßen fühlte sich weich an. Das Sonnenlicht, das, gedämpft von der Gardine, durch ein hohes Fenster hereinfiel, ergoss sich golden über die Wände. Hinter einem massigen, dunklen Schreibtisch saß ein kleiner Mann, offenbar ganz in seine Arbeit vertieft. Seine Haut war wächsern blass, sein silbergrauer Anzug schimmerte im Licht. Ich sah sein kurzgeschnittenes graues Haar, seinen feinen dünnen Schnurrbart, die scharfen Falten in seinem Gesicht.
    Der Mann hob den Blick und verzog ärgerlich das Gesicht.
Einen Moment lang stockte mir der Atem, so furchterregend dunkelblau waren seine Augen.
    »Verdammt, Ernst. Ich bin sehr beschäftigt. Was ist?«
    Ernst nahm auf dem weißen Sofa gegenüber dem Schreibtisch Platz. »Schön, dich zu sehen.«
    Sein Vater verzog das Gesicht, nahm seine Brille ab und hielt sie an einem Bügel. »Ja, sicher, ich freue mich immer, dich zu sehen. Du siehst gut. Ein bisschen dünn vielleicht.«
    »Ich hab zugenommen.«
    »Ah, dann also nicht zu dünn.« Er blickte wieder auf das Blatt, das vor ihm lag, und schrieb noch ein paar Zeilen. Er schaute auf, hob die Augenbrauen. »Ja? Um was geht’s?«
    »Ich weiß, dass du sehr beschäftigt bist«, sagte Ernst. »Schließlich bist du gerade dabei, einen Krieg anzufangen.«
    Sein Vater wedelte mit der Hand. »Meine Güte, bist du dramatisch.«
    »Wir sind wegen der Dokumente hier, Vater. Für die Reise nach Paris.«
    »Ja.« Der alte von Haselberg nickte. Er nahm mich ins Visier, und ich zuckte zusammen. »Sie sind sicher einer von Ernsts Musikerkollegen.«
    Ich stand immer noch ziemlich blöd an der Tür, direkt neben dem wuchtigen Bücherregal voller ledergebundener Bücher mit Goldschnitt. Ich schluckte, ich fühlte mich wie ein Ausstellungsstück, das dem Publikum präsentiert wird. »Sidney Griffiths«, sagte ich.
    »Ja, natürlich«, sagte von Haselberg. »Es ist schon eine sehr eigenartige Musik, die ihr spielt.«
    »Setz dich, Sid.« Ernst wies neben sich auf das Sofa. »Du brauchst nicht darauf zu warten, dass mein Vater dir einen Platz anbietet.«
    »Wo ist Rummel?«, fragte Haselberg zerstreut.
    »Vorn an der Treppe. Wo er immer ist. Er sieht wie eine Leiche aus, wenn ich das sagen darf.«
    »Ja, armer Rummel.« Von Haselberg lächelte. »Ich brauche ihn nachher.«
    Ernst schwieg.
    Ich beobachtete von Haselberg, wie er das beschriebene Blatt in eine Schublade legte, die er anschließend zusperrte. Er stand auf, nahm seine Zigarre und trat auf uns zu. Er hatte diese natürliche Eleganz, die Leichtigkeit, die auch Ernst auszeichnete; offenbar hatte sein Sohn sie von ihm geerbt. Er drückte mir fest die Hand und lächelte.
    »Was hat Ihnen mein Sohn von mir erzählt«, fragte er schmunzelnd. »Ohne Zweifel halten

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