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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Leopardenmuster um Brust und Hüften gebunden. Einige zerstießen mit Mörser und Stößel Maiskörner zu Mehl, das auf ihre Füße staubte. Die Haut dieser Leute hatte einen ganz besonderen Glanz. Es war ein silbriges Schwarz, als ob die Zoowärter sie immer schön polierten.«
    Ich spürte ein schmerzhaftes Ziehen in der Brust. »Die haben hier Menschen gehalten?«
    »Das hier war nur das afrikanische Gehege«, murmelte Hiero. »Es gab noch eines mit Südseeinsulanern, eines mit Eskimos und so weiter.« Er verzog das Gesicht zu einem Lächeln, als wäre das gar nicht so grauenhaft oder als wäre es doch auch komisch. Aber seine Augen lächelten nicht.
    »Ein Menschenzoo«, sagte ich. »Scheiße. Und du hast das gesehen?«
    Hiero nickte. »Meine Mutter hat mich mitgenommen. Sie sagte: Das und nichts anderes bist du in den Augen der Leute hier. Vergiss das nie .«
    Ich war so aus der Fassung, dass es mir die Sprache verschlug.
    »Mein Vater hat es sich nie verziehen, dass er hierherkam«, sagte Hiero.
    Ich schwieg.
    »Er war ein Stammesfürst in Duala. Und hier war er nur ein Wilder im Anzug. Aber weißt du, Sid«, er streifte mich mit einem zornigen Blick, »ich hab ihn nie auch nur ein böses Wort gegen die Deutschen sagen hören. Nie. Bei Herodot gibt es so eine Geschichte von dem persischen König Darius. Der ließ die Griechen zu sich kommen und fragte sie: Wie viel Geld muss ich euch zahlen, damit ihr die Leichen eurer
Väter aufesst, wenn sie sterben? Und da sagten sie, das würden sie für kein Geld der Welt tun. Dann ließ Darius ein paar Inder kommen, Leute, bei denen es üblich war, die Leichen der Verstorbenen aufzuessen, und fragte sie vor den Griechen: Wie viel Geld muss ich euch zahlen, damit ihr die Leichen eurer Väter verbrennt, wenn sie sterben? Und die Inder sagten, sie würden auf gar keinen Fall ihre Väter verbrennen. Es ist eben so, dass jeder denkt, die Sitten, die er gewohnt ist, sind die besten auf der Welt, und davon lässt er sich nicht abbringen. Aber mein Vater war anders. Er kam nach Deutschland, und er tat alles, um ein Deutscher zu werden.«
    Ich sagte nichts dazu.
    Wir standen lange an dem Zaun. Die Sonne sank immer tiefer. Dann gingen wir schweigend zurück zum Tor.

    Als wir den Tierpark verließen, war es, als hätte sich etwas in dem Jungen plötzlich verflüchtigt, als wäre diese rasende Wut, die ihn ausgefüllt hatte, mit einem Mal weg. Er war einfach nur erschöpft. Wir fuhren nicht sofort zurück zu Ernst. Hiero lotste mich zum Hafen, wo wir ausstiegen und auf ein Pier hinausgingen. Wir saßen im kühlen Sonnenlicht und ließen unsere Beine über dem schwarzen Wasser baumeln. Über unseren Köpfen kreischten Möwen. Die Luft stank nach Salz und den Werftanlagen gegenüber.
    Ein großes graues Schiff fuhr langsam durch die Schleusentore.
    Hiero klopfte den getrockneten Schlamm von seinen Schuhen und starrte hinaus über das Wasser. »Verdammt. Kaum zu glauben, dass da am anderen Ende Algerier wohnen.«
    Ich nickte bedrückt. »Und Isländer.«
    Er lächelte. »Kanadier?«
    »Inder.«
    »In Baltimore schaut gerade jemand direkt zu uns rüber«, sagte der Junge und schaukelte mit seinen großen Füßen.
    Ich runzelte die Stirn. »Vielleicht kenne ich ihn sogar. Vielleicht ist es mein Onkel Henry.«
    »Amerika«, sagte Hiero mit so einer besonderen Betonung.
    »Man redet immer vom Atlantik und vom Pazifik und so weiter. Als ob das alles was ganz Verschiedenes wäre«, sagte ich. »Aber es ist nur ein einziges Wasser. Wieso soll man das aufteilen?«
    Hiero spähte hinauf zu den Möwen. »Du bist ja ein richtiger Dichter, Sid. Ein Herodot.«
    Aber ich war in Gedanken schon woanders. Ich dachte an den Tag, als der Junge in unser Leben getreten war. Paul hatte ihn eines Abends ins Hound mitgebracht. Der Junge trug eine alte Landstreichermütze, die er so tief in die Augen gezogen hatte, dass man nur das halbe Gesicht sah. Ich weiß noch, dass ich Chip angrinste und dachte: Der sieht ja wie ein Kind aus, als wäre er höchstens zwölf. Paul war einfach zu albern. Er wollte uns weismachen, dieser kleine Hosenscheißer wäre ein richtiger Trompeter!
    Der Junge kam auf die Bühne in seinem schlotternden Jackett, eine komische Gestalt, nichts als lauter Knochen. Angezogen war er wie ein Landstreicher: eine weite khakifarbene Hose mit blauen Hosenträgern, eine abgewetzte Jacke mit Hahnentrittmuster und diese dreckige Mütze, deren Zweck weniger darin zu bestehen schien, ihn vor dem

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