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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Finger schlaff und leer. Schließlich sah er mich mit einem trüben Lächeln an. »Schau dich doch mal um, Sid: Ich bin nicht irgendjemand, mir wird hier nichts passieren. Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    »Scheiße.« Ich spürte einen Klumpen in meinem Hals.
    »Unter dem Vordersitz des Autos sind Karten und ein Umschlag mit französischem Geld – so viel, dass es für eine ganze Weile reicht, wenn ihr vernünftig damit umgeht. Und ich habe euch aufgeschrieben, wie ihr Kontakt mit Armstrong in Montmartre aufnehmen könnt.«
    »Wir fahren nicht ohne dich. Mein Gott, Ernst.«
    »Bleibt auf Nebenstrecken. Ich habe auf der Karte eingezeichnet, wo ihr über die Grenze müsst. Seid vorsichtig.«
    Ich schüttelte den Kopf. »So ist von uns praktisch nichts mehr übrig.« Mir war zumute, als würde ich gleich zu heulen anfangen. Ich biss mir auf die Zunge.

    Und so ließen wir ihn zurück.
    Die lange gespenstische Schnauze des Horch beschrieb eine Kurve über dem Pflaster, stach hinaus durchs Tor, bog ab in den Abend. Die Scheinwerfer schnitten durchs Halbdunkel. Wir fuhren westwärts immer tiefer in die Nacht, bedrückt, schweigend, stumm. Wir hielten nur an, um aus den Kanistern, die wir dabeihatten, nachzutanken und abseits der Straße zu pinkeln.
    Die Sonne stand noch tief über dem Horizont, die Schatten lagen lang auf dem unebenen Asphalt, als wir uns der Grenze näherten.
    Ich dachte, Chip und der Junge schliefen noch, als Hiero sich plötzlich räusperte und sagte: »Er kommt nicht mit. Er kommt wirklich nicht mit.«
    Chip sah den Jungen an, sagte aber nichts.
    Die gelbe Landschaft zog vorbei, weit vorn im kühlen Morgenlicht sahen wir die dunklen Wälder von Frankreich. Wir fuhren an großen Schildern vorbei, auf denen in schwarzer Schrift Achtung und Achtung und Achtung stand, darunter irgendwelche Anweisungen, die ich nicht las. Dann sah ich die Absperrung aus Stacheldraht quer über der Straße, und ich stieg auf die Bremse. Das Auto wurde ruckelnd und schlingernd langsamer.
    »Scheiße, Mann«, murmelte Chip. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, gähnte.
    Ich gab wieder leicht Gas, der Horch glitt elegant wie ein Vollblüter in einer Schlangenlinie zwischen den Absperrbarrieren hindurch. Durch die staubige Windschutzscheibe sah ich links in einer Wachbude zwei Posten stehen, die Maschinenpistolen auf uns gerichtet. Ihre undefinierbar grünbraunen Uniformen sahen frisch gebügelt aus – offen
bar hatten die beiden ihren Dienst erst vor Kurzem angetreten.
    »Scheiße«, flüsterte Hiero. Seine Augen waren ganz klein.
    »Du hältst den Mund«, sagte Chip. »Hast du gehört? Kein Wort.«
    Mein Blick war auf einen Uniformierten gerichtet, der aus einem Schilderhäuschen trat, die Hand erhoben. Er trug ein Gewehr über der Schulter. Ich bemühte mich, ein möglichst nichtssagendes, unbefangenes Gesicht zu machen, aber mein Herz klopfte wie wild. Ich brachte den Wagen behutsam zum Stehen.
    Der Mann stand zwischen zwei spanischen Reitern da. Dann trat er mit finsterem Blick ans Auto.
    Meine Finger umklammerten das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich ließ es nicht los aus Angst, meine Hände würden zittern. Ich räusperte mich. »Gib mir die Papiere«, sagte ich. Meine Stimme klang dünn und krächzend.
    Ich beugte mich vor, kurbelte das Fenster herunter. Die Spätsommerluft roch nach Dreck und Rauch.
    Die grüne Uniform des Grenzers spiegelte sich im Chrom des Autos. Ich sah mit blinzelnden Augen zu ihm hoch und nickte. Er war jung, braunhaarig, sonnengebräunt, seine Lippen etwas rissig. Sein Blick wirkte leicht verschleiert.
    »Papiere«, sagte er im Befehlston.
    Ich gab sie ihm. Meine Hände zitterten, als wäre ich ein achtzigjähriger Greis.
    Er grunzte, blätterte die Papiere durch. Seine Augen waren schwarz wie die von Ernst. Langsam ging er halb um das Auto herum, musterte eingehend den Kühlergrill und die
silbern blitzenden Scheinwerfer, als hätte er so etwas noch nie gesehen. Dann kam er wieder zurück.
    »Wohin wollen Sie?«, fragte er mit ausdrucksloser Stimme und blätterte weiter in unseren Papieren.
    »Paris«, sagte ich und hustete. Ich räusperte mich. »Paris«, sagte ich.
    Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, dann beugte er sich herunter und musterte ausgiebig Chip und Hiero. Sein Blick wanderte zu meinem Bass.
    »Wir sind amerikanische Musiker«, sagte ich nervös. »Wir haben einen Auftritt in Paris.«
    Er schaute auf und blickte über

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