Spiels noch einmal
Sie mich für ein wahres Ungeheuer.«
Ich zuckte die Achseln und warf Ernst einen Blick zu. Er sah finster zum Fenster hinaus in den Garten. Im Profil wirkte seine Haut fast durchsichtig.
Von Haselberg setzte sich, knöpfte sein Jackett auf, streckte die Beine aus.
Er blickte sich nach einem Aschenbecher um, dann verzog er das Gesicht und ließ die Asche seiner Zigarre auf den Teppich fallen. »Ach, diese Frieda. Andauernd leert sie meine Aschenbecher, und dann vergisst sie, sie wieder an ihren Platz zu stellen. Man könnte meinen, sie will mich zwingen, das Rauchen aufzugeben.«
»Das solltest du, Vater«, sagte Ernst. »Es ist widerlich.«
»Unsinn.«
Ernst war aufgestanden und hatte sich auf dem Teppich hingekniet. Pikiert zückte er das Tüchlein aus seiner Brusttasche und nahm damit die Asche auf.
»Lass das, lieber Himmel!« Von Haselberg sah mich an und verdrehte die Augen, als schockierte es ihn, dass sein Sohn sich so albern benahm. »Das erledigen die Mädchen. Die werden dafür bezahlt.«
»Bist du sicher, dass du sie dafür bezahlst?«
»Hör auf, Ernst. Es reicht.«
Ernst kniff die Lippen zusammen und steckte das schmutzige Tüchlein in die Tasche.
Der alte von Haselberg lächelte, die Falten um seine dunkelblauen Augen wurden tiefer. »Du bist nicht hergekommen, um hier sauberzumachen, nehme ich an. Nicht, dass mir das auch nur im Geringsten peinlich wäre.« Er sah mich an. »Ich will, dass mein Sohn das machen kann, was er gerne möchte.«
Auch Ernst lächelte. »Du bist eben ein vorbildlicher Vater.«
Scheiße. Es wurde verdammt ungemütlich.
Aber von Haselberg zuckte nur müde die Achseln. Er strich sich mit seinen kleinen Händen über die Oberschenkel, als wollte er signalisieren, dass er es satt hatte. »Mr Griffiths, Sie haben doch sicher auch in der Wohnung in der Fasanenstraße gewohnt? Ich hoffe, es hat Ihnen dort gefallen?«
»Fang nicht wieder damit an, Vater.«
»Mein Gott!« Er verlor nun langsam die Geduld. »Man wird doch wohl noch höflich nachfragen dürfen.«
»Das dient einzig und allein dem Zweck, dich daran zu erinnern, dass du von seiner Mildtätigkeit lebst.«
»Das ist ja lächerlich. Davon kann keine Rede sein.«
Ernst hob nur die Augenbrauen, in exakt der Art, wie es sein Vater vorher getan hatte.
»Und was halten Sie von dieser Sache mit Polen?«, fragte von Haselberg.
»Darauf antwortest du am besten gar nicht«, sagte Ernst.
Es folgte ein langes Schweigen. Ich räusperte mich und sah Ernst an, aber er musterte seine Schuhe. »Was für eine Sache mit Polen?«, fragte ich zögernd.
Von Haselberg lachte rau. »Eine ausgezeichnete Antwort, wirklich. Was hast du gesagt, wo er herkommt? Aus Baltimore?«
»Baltimore.« Ernst nickte.
»Ja, eine ausgezeichnete Antwort für einen Amerikaner. Kann ich euch was zu trinken anbieten?«
»Nein«, sagte Ernst. »Wir wollen nichts trinken.«
»Ah, schade.« Trotzdem stand von Haselberg auf, ging zum Regal und nahm eine Flasche Rotwein heraus. Er schenkte drei Gläser ein und stellte sie auf die Tischchen neben dem Sofa.
»Ich sagte nein, Vater.«
»Dann lasst ihr es eben. Der Wein ist nicht vergiftet, das kann ich dir versichern.« Er lächelte mich durch den Zigarrenrauch hindurch an. »Ich habe wirklich größte Hochachtung vor der Kunst. Vor allen Künsten. Ich verstehe nichts von Jazz, aber ich bewundere die Leidenschaft, mit der Sie alle Musik machen. Hingabe kann auch eine Art Genie sein.«
Ich nickte befangen und drehte das Glas in meinen Händen.
»Mein Vater ist ein großer Förderer der Künste«, bemerkte Ernst. »Das ist es doch, was du uns damit zu verstehen geben wolltest, nicht?«
Der Alte setzte sich ächzend. »Kein sehr großer, fürchte ich. Meine Arbeit lässt mir nicht genügend Zeit. Aber die
Welt wäre ärmer ohne die Kunst. Und ich mache mir nichts vor, Mr Griffiths: Ich bin alt und nicht auf der Höhe der Zeit, aber ich bin mir bewusst, dass die Kunst, die ich liebe, den alten Männern von damals gründlich missfallen hat, Mozart, Schiller, Goethe, sogar Paul Hindemith.«
»Oh, Hindemith? Sprichst du jetzt vom frühen oder vom späten Werk, Vater? Ich dachte immer, es zieht dich mehr zu Kurt Eggers oder Arno Bräker hin, Hans Pfitzner, Richard Wagner. Dein Kunstgeschmack ist offenbar doch mehr klassisch geprägt, als ich dachte.«
»Wagner.« Von Haselberg wiegte betrübt seinen grauen Kopf. »Wagner ist wirklich sehr dramatisch, nicht?«
»Sie mögen Wagner?«, fragte ich
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