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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Besenstiel, trat auf die Bühne und winkte Chip heran.
    »Wir haben heute Abend eine besondere Attraktion zu bieten«, verkündete er. »Meine Damen und Herren, soeben aus Peabody Heights eingetroffen ist: Charles C. Jones !«
    »Chip«, zischte ich entsetzt, »was ist hier los?«
    Aber er grinste nur ganz lässig. »Du wirst schon sehen«, sagte er.
    Dann stieg er auf die Bühne, hampelte ein bisschen mit seinen Armen und Beinen, als wollte er Regentropfen von seinen Kleidern abschütteln. Ich war total platt, ich dachte, mich trifft der Schlag.
    Er setzte sich ans Schlagzeug. Irgendwo im verrauchten Dunkel lachten ein paar Leute – Chip wirkte so was von durchgeknallt, so was von naiv. Aber dann nickte Panther, und Chip schlug seine Stöcke zusammen und fing an.
    Verdammt. Ich wusste, dass er ein bisschen trommeln konnte, aber auf so was war ich nicht gefasst. Ich sah starr vor Ehrfurcht zu, wie er sanft die Becken strich, wie sein sehniger Oberschenkel den Rhythmus der Basstrommel stampfte. Scheiße, der Junge konnte spielen . Alle seine Glieder zuckten, die Muskeln traten bei jedem härteren Schlag wie gehäutet hervor. Es war einer dieser Momente, in dem einer alle Hüllen fallen lässt und man dieses ganze andere Leben in ihm sieht. Ich war hin und weg.
    Danach tobte das Publikum vor Begeisterung – ich dachte, die reißen sich gleich die Kleider vom Leib, so entzückt taten
sie. Die Leute schrien und hauten auf die Tische, Frauen winkten mit Servietten. Als Chip runterkam, fiel ich ihm so stürmisch um den Hals, dass ich ihn beinahe umgeschmissen hätte.
    »Wie hast du so spielen gelernt, Mann?«, schrie ich. »Wer hat dir das beigebracht?«
    Panther kam in seinem tollen Anzug mit Weste zu uns rüber und legte Chip seine Hand auf die Schulter. An seinem knochigen Handgelenk trug er eine große goldene Uhr, und seine Fingernägel waren tadellos gepflegt. Und so was von sauber . Ich hatte noch nie einen Mann mit derart sauberen Händen gesehen.
    »Kommt, Jungs«, sagte er freundlich. »Ich geb einen aus.«
    Ich war total verknallt. Was ich fühlte, war die pure Liebe. Dieser Raum, der nach Schweiß und Medizin und Parfüm stank, diese Leute, die alle so aufgedreht waren, auch wenn es draußen Hunde und Katzen regnete – das, das war das wahre Leben für mich. Scheiß auf die Sonntagsschule und Mädchen in weißen Kleidchen. Scheiß auf die Klauerei in irgendwelchen Läden. Das hier war es, diese Damen, die ihre Hüften in schimmernden Kleidern schwangen, diese Typen, die schwarzgebrannten Schnaps tranken. Dieser großartige Flüsterkneipenslang. Ich hatte das Leben entdeckt, für das ich bestimmt war.
    Panther Brownstone führte uns zu einem Tisch in einer Ecke. Die Typen, die da saßen, standen ungefragt auf, als er sich näherte, und überließen uns ihre Plätze. Mann, dachte ich, das ist Macht. Wir setzten uns, während er das Einstecktüchlein aus seiner Brusttasche zog und damit Zigarrettenkippen und Erdnussschalen vom Tisch wischte. Seine Augen glänzten wie schwarze Käfer.
    »Einen Scotch, ohne Eis«, sagte er zu der Bedienung. »Und für die Jungs Limonade.«
    Sie lächelte uns an wie eine nette Tante.
    »Ich würde euch auch gern was Richtiges zu trinken spendieren«, sagte er, »aber ich bin nicht Sokrates. Ich will nicht die Jugend verderben, nur die Erwachsenen.«
    Und er bleckte tückisch grinsend die Zähne.
    »Ich sag dir ganz direkt, wie es ist, Charles: Du bist nicht schlecht. Aber du bist auch nicht wirklich gut. Noch nicht. Die Leute fanden dich trotzdem alle ganz toll. Das ist so ähnlich, glaub ich, wie wenn man einen Hund sieht, der Auto fahren kann. Wenn es nach mir ginge, würde ich dich gern jeden Samstag zusammen mit uns spielen lassen. Wär das was?«
    Chip kriegte ganz nasse Augen vor Begeisterung, aber seine Stimme klang fest und ruhig.
    »Samstag?«, sagte er, als ginge er im Kopf seinen Terminkalender durch. »Samstag? Ja, ich glaub, das könnte klappen. Okay. Ja, klingt gut, Panther.«
    Panthers Blick huschte hinüber zu mir und wieder zurück zu Chip. Ein ganz feines Lächeln deutete sich unter dem dünnen Schnurrbart an. »Wie alt seid ihr? Aber nicht in Hundejahren gerechnet.«
    »Sechzehn«, sagte Chip.
    »Dreizehn«, sagte ich.
    Chip trat mich unter dem Tisch. Ich zuckte zusammen, langte nach unten und und rieb mir das Schienbein.
    »Dreizehn«, sagte Panther ruhig. »Dreizehn. Ich hatte euch ein bisschen jünger geschätzt.«
    »Jünger!«, schrie Chip.
    Panther lachte

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