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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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ja echt gebildet. Seit wann kannst du Französisch?«
    Ich zuckte die Achseln. Ich dachte an Delilah und einige Dinge, die sie mir beigebracht hatte, aber dann verflogen plötzlich die angenehmen Gefühle, die ich damit verband. Ich schüttelte den Kopf, riss die Tür auf, stieg aus. Meine Stimmung hatte sich verdüstert, ich war bedrückt. Ich sah immer nur Ernst in seinem braunen Anzug vor mir, die bleiche Stirn zerfurcht, während er hinaus in den Garten starrte. Ich sah die stumme Qual in seinem Gesicht, als hätte er seit Wochen das Ende vorhergesehen und war nun, da es gekommen war, wie gelähmt.
    Wir fanden ein kleines Straßencafé, das zu dieser Stunde schon geöffnet hatte, und setzten uns an einen Tisch unter einer grünen Markise. Nur ein älterer Herr war da, der Zeitung las. Er war grau gekleidet und trug einen grauen Filzhut auf seinem grauen Kopf. Steif wie eine Wachsfigur saß er da. Ich spürte das kalte, harte Metall des Stuhls durch den Stoff meiner Hose. Obwohl die Sonne schon schien, wurde mir einfach nicht wärmer. Ein Auto fuhr vorbei, ich hob den Kopf und sah Tauben auf dem leeren Platz auffliegen wie Papierfetzen, die der Wind herumtreibt.
    »Wo sind die Leute alle?«, fragte ich. »Es ist doch ein Werktag, oder nicht?«
    »Mann, in Paris arbeitet kein Mensch«, sagte Chip. »Paris ist die Stadt der Liebe .«
    Dann erschien eine Bedienung. Chip räusperte sich und sagte: »Kaffee«, dazu hob er drei Finger. Versonnen beobachtete er die Frau, die mit wiegenden Hüften zurück zur Bar ging. »Ach, Frankreich hat mir schon immer gefallen«, sagte er lächelnd.
    »Wie kannst du nur?«, sagte ich. »Nach allem, was wir durchgemacht haben.«
    Der Junge beugte sich vor und stützte die Arme in den zerknitterten Ärmeln auf den Tisch. »Meint ihr, Ernst kommt noch raus?«, fragte er leise.
    »Hier musst du nicht flüstern, Hiero«, flüsterte ich.
    »Der kommt nicht, Junge«, sagte Chip. »Keine Chance. Der sitzt in Hamburg fest.«
    »Er hat gesagt, er will es versuchen.«
    »Das kannst du vergessen.«
    »Er hat gesagt, sobald sein Vater wieder im Saarland ist, klappt es vielleicht. Er könnte dann seine eigenen Kontakte nutzen.«
    Chip warf ihm einen vernichtenden Blick zu
    »Hört endlich auf damit, verdammte Scheiße«, sagte ich. Ich hatte es gründlich satt.
    Dann kam die Kellnerin wieder und brachte drei Café au Lait. Chip schenkte ihr ein betörendes achtzehn-Karat-Lächeln. »Bon jour «, sagte er. »Al lô .«
    Sie lachte.
    Ich schloss die Augen. Ihr Lachen, das über den Platz widerhallte, klang so verdammt traurig.
    » Das , mein Lieber«, murmelte Chip, als sie davonschritt, »das ist die wahre französische Cuisine.«
    »Die ist so alt wie deine Mutter, Chip.«
    Er sah mich lange versonnen an, als ließe er meine Worte auf sich wirken. »Ja, aber das ist die Sorte, die einem dankbar ist. Und das macht alles noch viel süßer.«
    Hiero räusperte sich. »Also, was machen wir jetzt?«
    Chip sah wieder der Kellnerin nach. »Jemand muss Louis anrufen. Wer erledigt das? Sid?«
    Mein Fuß war eingeschlafen, ich stand auf und schüttelte ihn. Der Alte lugte beunruhigt über den Rand seiner Zeitung. Er wandte sich ab, schlug die Beine übereinander und raschelte hektisch mit den Seiten. Ich hatte diesen Moment gefürchtet. Louis Armstrong? Klar, ich wusste, das war unsere Chance, der entscheidende Augenblick, unser Leben. Die Leute glauben, das Leben wäre etwas, das sich über Jahre erstreckte, aber das stimmt nicht. Es kann ganz schnell gehen, wie ein Streichholz in einem dunklen Zimmer.
    Hiero beobachtete mich. Ich wusste, dass er dasselbe dachte wie ich. Louis würde sicher nach Lilah fragen.
    »Okay, ich mach es«, sagte Chip. »Wo ist die Nummer?«
    »Ich finde, Sid sollte ihn anrufen«, sagte Hiero. »Schließlich hat Ernst ihm das Kommando übertragen.«
    »Blödsinn.« Chip runzelte finster die Stirn. »Sid hat nicht mal das Kommando über seine eigene Blase.«
    Ich kramte in meiner Hosentasche, zog ein paar Geldscheine und zerknüllte Papierchen hervor, strich eines davon glatt und schob es Chip hin. Er nahm es und ging zur Bar, um nach dem Telefon zu fragen.
    Ich sah den Jungen an. Er wirkte irgendwie verkümmert, verunsichert, das Gesicht nichts als Zähne und Knochen.
Er blickte auf seine Hände und sagte nichts, während wir warteten.
    Chip trat an die Bar, beugte sich weit über den Tresen und lächelte die Bedienung breit an. Mann, der Typ hielt sich für absolut

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