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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Fingern. Mein Gott, er war wirklich am Leben. Wirklich und wahrhaftig. Ich hatte die ganze Zeit Chip geglaubt und gleichzeitig doch wieder nicht.
    Meine Kehle war ausgetrocknet. Ich schaute wieder auf den Brief. Thomas Falk. Er hatte seinen ersten Vornamen abgelegt. Und er klang nicht so wie der alte Hiero: Seine Komplimente hatten etwas Distanziertes, seine Einladung klang herzlich, aber nicht jungenhaft.
    Er hatte Chip eingeladen. Mit einem Schlag wurde es mir bewusst.
    Von mir war in dem Brief nicht die Rede.
    Mir war, als kippte der Bus. Ich bekam keine Luft mehr, mir wurde schwindlig, heiß, schlecht. Ich stand auf, die Tasche fiel mir vom Schoß. Die Luft, die durchs Fenster hereinwehte, stank nach Schlamm und Pferdemist.
    Der Bus knarzte und schaukelte, als ich mich wieder hinsetzte. Chip stieg langsam die Stufen in den Bus hinauf, eine Hand an der schmierigen Geländerstange.
    »Dein Essen wird kalt«, rief er. »Sid?«
    Scheißkerl, dachte ich. Arschloch.
    »Sid? Was machst du da?« Er sah mich an und blieb stehen.
    Meine Stimme klang heiser. »Hiero hat mich nicht eingeladen. In seinem Brief hat er mich nicht mal erwähnt.«
    Chip blickte durch den Bus.
    »In seinem Brief«, sagte ich lauter. Ich hielt den Umschlag
hoch. »Der Junge schreibt kein Wort davon, dass ich ihn besuchen soll. Der Brief ist an dich gerichtet.«
    »Ach, Sid.« Sein Gesicht entspannte sich. »Natürlich ist er an mich gerichtet. Er hatte ja deine Adresse gar nicht.«
    Ich war so frustriert, ich hätte heulen können. »Woher willst du das wissen? Du weißt überhaupt nichts. Du weißt bloß, was in diesem Brief steht.«
    Er verstand es nicht. »Das ist doch egal, oder? Natürlich möchte er, dass du mitkommst. Mann, Sid, wahrscheinlich weiß er nicht mal, ob du noch am Leben bist oder nicht.« Er kam langsam durch den Mittelgang auf mich zu. »Sid, jetzt mach dich mal locker. Wieso sollte er nicht wollen, dass du kommst? Überleg doch, wir waren alle gute Freunde damals.«
    Ich konnte ihn nicht ansehen. »Wie konntest du bloß!«, murmelte ich.
    »Sid.« Er setzte sich auf den Sitz vor mir und starrte mich über die Kopfstütze hinweg an. »Sid, du musst dich einfach nur beruhigen.«
    Ich zitterte.
    »Warum regst du dich so auf, Mann? Wegen dem Dokumentarfilm? Mann, Hiero weiß doch genau, wie es wirklich war, er war schließlich dabei .«
    »Ich weiß.«
    Er grunzte. »Na, dann ist doch alles gut. Also, essen wir jetzt endlich? Als ich den Fahrer zuletzt gesehen habe, war er gerade dabei, sein Gulasch in sich reinzuschlingen. Wenn er damit fertig ist, müssen wir auch fertig sein. Der Mann wartet auf niemanden.«
    »Nein«, sagte ich abwesend, »der wartet nicht.«
    Ich schaute hinaus auf die trostlose kleine Siedlung. Es
kam mir so vor, als hätten wir etwas hinter uns gelassen, etwas Wichtiges, von dem wir uns immer weiter entfernten.

Fünfter Teil: Paris 1939
    1
    In der ersten Nacht schliefen wir in dem eiskalten Auto. Früh am nächsten Morgen wirkte Montmartre krank, zu Tode erschöpft. Kaum halb wach kriegte ich mit, wie draußen die Laternen eine nach der anderen ausgingen und die Straßenkehrer mit scheppernden Handkarren vorbeizogen. Chip saß mit schräg weghängendem Kopf auf dem Beifahrersitz. Hiero stöhnte leise. Bibbernd vor Kälte schlief ich wieder ein.
    Als Chip erwachte, hatte er einen steifen Hals.
    »Scheiße«, sagte er und blinzelte zu mir hinüber. Man sah seinen Atem als weißen Dunst. »Hört das auch mal wieder auf?«
    Ich schaute in den Rückspiegel. »Junge?« Mein Mund fühlte sich an wie mit Watte ausgestopft. »Junge, bist du schon wach?«
    Er hob den Kopf und schnitt eine Grimasse.
    »Scheiße«, sagte Chip noch mal und rieb sich die kalten Hände. »Paris, Mann, Stadt der Lichter. Haben wir Knete?«
    »Ja, schon.« Ich gähnte. »Ernst hat uns was mitgegeben.«
    »Der gute alte Ernst.« Chip lächelte mit klappernden Zähnen.
    Hiero auf dem Rücksitz zwängte sich unter heftigen Verrenkungen in seinen Mantel. Dann schlug er die Beine übereinander und rammte dabei ein Knie in die Lehne des Beifahrersitzes.
    »Aua. Hättest du den Elefanten, der da hinten so wild rumfuhrwerkt, nicht zu Hause lassen können?«, grunzte Chip genervt.
    Hiero erstarrte und sah ihn an.
    Chip drehte sich um. »Ja, dich meine ich«, sagte er. »Lass uns gehen. Schauen wir mal, was die berühmte französische Küche zu bieten hat.«
    »Déjeuner«, sagte ich in Gedanken. »Frühstück heißt déjeuner .«
    »Mann, du bist

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