Spieltage
Nürnberg, Eishockey schauen. Und hier noch eine brandheiße Nachricht für alle Fußballfans, sagte der Eishallensprecher: Heinz Höher wird Manager beim Club! Jubel erfüllte die Eishalle. Genau wie 4000 Eishockeyfans hatte Thomas vom Hallensprecher erfahren, was sein Vater vorhatte.
»Ich habe schon die ganze Zeit mit dem Gedanken gespielt, auf den Managerposten zu wechseln«, sagte Heinz Höher den Sportjournalisten. Tatsächlich fragte er sich noch, nachdem er Gerd Schmelzer als Manager zugesagt hatte, ob dies das Richtige für ihn sei. Er war Trainer, seit achtzehn Jahren, mit Leib und Seele. Heimlich wuchs ein Gedanke in ihm: Er würde sich für die zwei, drei schwierigen Jahre des Stadionumbaus und Mannschaftsneuaufbaus im Managerbüro verkriechen und dann als Trainer in Nürnberg zurückkommen, irgendwann wurde immer ein Trainerwechsel fällig.
Gerd Schmelzer ließ ihn seinen eigenen Nachfolger suchen. Heinz Höher war noch Trainer in Nürnberg und führte im Frühling 1988 die Verhandlungen, um Bochums Trainer Hermann Gerland auf seinen Stuhl zu lotsen. Er hatte Gerland in den Siebzigern in Bochum trainiert. Ein fachlicher kompetenter, menschlich absolut integrer Trainer, fand Heinz Höher.
Der 1. FC Nürnberg begann ein Parallelleben. Vordergründig versuchte er in der Endphase der Bundesligasaison 1987/88 mit Enthusiasmus die Qualifikation für den UEFA-Pokal-Wettbewerb zu vollenden. Gleichzeitig spürten viele in der Mannschaft genauso wie der Trainer und der Präsident schon die vorauseilende Nostalgie, dass die große Zeit zu Ende sein würde, bevor sie ihren Höhepunkt erreichte. Ohne Reuter und Grahammer, in einem Stadion unter Baukränen, ohne die Vertrautheit des bewährten Trainers lief nächste Saison alles auf ein fades Ausdriften des Höhenflugs hinaus.
Abends gingen die Spieler weiterhin in großer Gruppe zusammen aus. Aber plötzlich machten die Zeitungen vage Andeutungen über fehlende Kondition, raunten die Zuschauer bei einem Fehlpass. In den Augen dieser Leute waren sie seit Bekanntwerden des Weggangs von Reuter und Grahammer nicht mehr die Jungs mit der famosen Kameradschaft, sondern die gut bezahlten Profis, die zu viel im Kontiki oder Central herumhingen und bei erster Gelegenheit zu den Sau-Bayern türmten. Vier Spieltage vor Ende der Saison 1987/88, im vollen Kampf um die Europapokalqualifikation, erschienen nur noch 17000 Zuschauer.
Gerd Schmelzer bekam Angst, dass die Elf und er den Verkauf von Reuter und Grahammer nicht durchstehen würden. Ein Bundesligist durfte seine Identifikationsfiguren nicht verkaufen, aber was sollte er denn machen?
Gerd Schmelzer und auch Heinz Höher zeigten, dass sie eines von Uli Hoeneß schnell gelernt hatten. Sie schufen ein Feindbild, um die Wut der Fans abzuleiten – auf Uli Hoeneß höchstpersönlich. »Unsere Erfolge haben dem lieben Nachbarn gar nicht gefallen«, sagte Heinz Höher, »speziell Uli Hoeneß. Ihm scheint es gar nicht zu schmecken, dass wir über kurz oder lang ein Meisterschaftskonkurrent hätten werden können. Da habe ich mit dem Wegkauf von Reuter und Grahammer eine von den Bayern geschmiert gekriegt.« Gerd Schmelzer wurde noch ein wenig poetischer: »Der Hoeneß hat früher gesagt, der Club ist mein zweitliebster Verein. Und was tut er mit seinem zweitliebsten Verein? Er hat ihn gerupft wie eine Gans. Sanft und selig schlummert er jetzt in ihren Daunen.«
Ein echter Schmerz lag in den Worten. Dass er gelindert wurde durch eine stattliche Überweisung, mussten sie ja nicht aussprechen. 5,8 Millionen Mark zahlten die Bayern für die beiden Spieler; mussten sie zahlen, weil Schmelzer und Höher mit den nachträglichen Vertragsangeboten die Ablöse hochgetrieben hatten. Es war beinahe genauso viel Geld, wie der Club in einer ganzen Saison einspielte.
Die Gefühle kamen dem 1. FC Nürnberg in die Quere. Die Ahnung, dass dies die letzten Tage der großen Zeit waren, und der Schwindel im Angesicht des eigenen Erfolgs mischten sich ins Nürnberger Spiel. Sein vorletztes Heimspiel der Saison 1987/88 verlor der plötzlich gealterte Club gegen Hannover, einen Samstag später waren sie in Karlsruhe erneut unterlegen. Verspielten sie jetzt noch die Europapokalteilnahme? Die gesamte Rückrunde hindurch waren sie niemals tiefer als auf Tabellenplatz fünf notiert gewesen. In Karlsruhe sah Nationalspieler Dieter Eckstein in der ersten Halbzeit zu allem Unglück auch noch seine vierte Gelbe Karte, er würde für das letzte Heimspiel
Weitere Kostenlose Bücher