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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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dem Golfplatz mit möglichen Sponsoren sprechen. Wenn das Gespräch es erforderte, würde er die Kladde aufklappen, dem Geschäftsmann eine Liste mit den Wertsteigerungen der Club-Spieler präsentieren oder einige Ideen, Forderungen des Geschäftsmannes notieren. Er zeigte die Kladde Gerd Schmelzer, er hatte eine rote gewählt, die Farbe des 1. FC Nürnberg, der Einband war aus fester Pappe. Gerd Schmelzer sah ihn ruhig wie immer an. Aber etwas in den geweiteten Pupillen des Präsidenten sagte ihm, dass er vielleicht eine falsche Vorstellung von seiner Arbeit als Bundesligamanager hatte, von Golfplätzen, Sponsoren, Kladdebüchern.
    Die Kladde verschwand in seiner Schublade. Ein Pressefotograf kam vorbei und fotografierte ihn am Schreibtisch. Er sollte den Telefonhörer ans Ohr halten. Der Fotograf verabschiedete sich, und das Telefon klingelte nur selten.
    Mit Gerd Schmelzer hatte er besprochen, was er als Manager des Clubs alles tun würde, er sollte ein Scouting-Netz aufbauen, ein Internat für die Jugendspieler gründen. Wozu brauchten sie ein Scouting-Netz, dachte sich Heinz Höher, sie hatten doch eigene Augen und Kontakte, um Talente zu entdecken. Und um ein Internat aufzubauen, musste erst einmal der Umbau des Stadions und des Vereinsgeländes abgeschlossen sein. Heinz Höher, Manager des 1. FC Nürnberg, las die Zeitung im Büro und ging das Training anschauen.
    Vor zirka zehn Jahren hatte er mit Otto Rehhagel und Erich Ribbeck gewettet, wer von ihnen mit 50 Jahren deutscher Meister würde. Nun hatte es der Otto just mit 50 tatsächlich zum ersten Mal geschafft, mit Werder Bremen. Und er war nicht einmal mehr Trainer.
    Heinz Höher betrachtete das Training von Hermann Gerland. Er sah nur, was er anders machen würde.
    Aber er musste doch gewusst haben, was von Gerland zu erwarten war, sagte ihm Gerd Schmelzer verblüfft, er hatte doch Gerland ausgewählt. Ja, schon, sagte Heinz Höher. Das folgende »Aber« formte er nur in seinem Kopf. Aber er hatte nicht darüber nachgedacht, dass jeder Trainer seine eigenen Ideen hatte, auch einer, der in Bochum sieben Jahre unter ihm gespielt hatte. Er hatte sich nicht vorstellen können, wie unerträglich es war, einem anderen beim Training zusehen zu müssen.
    Am liebsten, träumte Heinz Höher, würde er eine Mannschaft von Kindern trainieren, sie über Jahre auf jedem Schritt begleiten, sie hüten, sie formen, sie zu Profis machen. Stattdessen schickte ihm sein Freund Dieter Reiber Vorschläge für die Hotelunterbringung der Mannschaft beim UEFA-Cup-Spiel in Rom. Nach zwanzig Jahren spielte der Club zum ersten Mal wieder im Europapokal, gleich gegen AS Rom, was für ein Knüller, er hatte die Elf dorthin gebracht – und jetzt musste er sich um die Unterkunft kümmern! Achtlos winkte er Dieter Reibers Vorschläge durch.
    An Spieltagen tigerte er durch die Katakomben des Stadions, stakste über die Laufbahn, während der Trainer das Aufwärmen der Spieler überwachte. Zum Spiel nahm er neben Hermann Gerland auf der Ersatzbank Platz. Die Journalisten, diese neuen Vögel von RTL plus mit ihrer nassforschen Art, begannen schon zu fragen: Wer ist eigentlich der wahre Trainer auf Nürnbergs Bank?
    Eigentlich musste er sich auf die Tribüne zurückziehen, um nicht Gerlands Autorität zu untergraben, um die ständigen Fragen verstummen zu lassen. Er sagte den Journalisten: »Auf die Tribüne kann ich mich nicht setzen, das wäre ein Horror für mich, eingekesselt zwischen all dem Geschwafel einiger Leute dort. Ich muss am Spielfeld sitzen.« Die Wahrheit konnte er nicht sagen. Er bekam vom Diahersteller Reflecta 25000 Mark dafür, dass er sich an Spieltagen mit dem Firmenemblem am Jackenrevers auf der Ersatzbank, im Fokus der Kameras, präsentierte. Die Fragen gingen weiter. Pfuscht Höher Gerland ins Handwerk?
    Heinz Höher duzte Hermann Gerland. Gerland siezte ihn. Gerland war 18 gewesen, als Trainer Höher 1972 den VfL Bochum übernahm. Vereinspräsident Ottokar Wüst wollte Gerland damals über die Amateurelf an den Profifußball heranführen. Gerland, 18 Jahre jung, weigerte sich. Er werde sofort Profi oder gar nichts. Der Unterschied zwischen eisernem Willen und Sturheit war bei Hermann Gerland schwer auszumachen. Das gefiel Heinz Höher. Im Trainingsspiel suchte sich der junge Gerland den Besten als Gegner aus, Ata Lameck. Gegen Lameck kam er fast nie an den Ball. Aber er hatte das Gefühl, so am meisten zu laufen, am meisten zu kämpfen, am härtesten zu trainieren.

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