Spieltage
gegen den 1. FC Kaiserslautern gesperrt. Das war zu viel, schoss es Heinz Höher durch den Kopf, ohne den Eckes im Sturm packen wir es nicht. Dann fiel ihm etwas ein.
In der Halbzeitpause sagte er zu Dieter Eckstein: Eckes, hol dir in der zweiten Halbzeit eine Rote Karte für ein leichtes Vergehen ab, schlag den Ball weg, aber beleidige auf keinen Fall den Schiedsrichter. Mach einfach, was ich dir sage, ich erkläre es dir später.
Als der Schiedsrichter nach gut 75 Spielminuten einen Allerweltsfreistoß gegen Nürnberg pfiff, drosch Dieter Eckstein den Ball weg. Aber Schiedsrichter Werner Föckler ermahnte ihn nur. Eckstein musste elf Minuten vor Spielende noch einmal in scheinbarer Wut über eine Schiedsrichterentscheidung den Ball wegdreschen, ehe ihm Föckler die Rote Karte wegen unsportlichen Verhaltens zeigte. Die Kapitäne Stefan Reuter und Andreas Köpke bedrängten Föckler, ihr Entsetzen über den Platzverweis wirkte echt. Heinz Höher klopfte Eckstein auf den Rücken, die Journalisten dachten, tröstend.
Nach der vierten Gelben Karte, wie Eckstein sie in Karlsruhe in der ersten Halbzeit sah, wurde ein Bundesligaspieler automatisch für ein Spiel gesperrt. Nach Roten Karten dagegen wurde die Strafe individuell vor dem Kontrollausschuss des DFB verhandelt. Eckstein wurde vom DFB nach seinem Platzverweis von Karlsruhe nur zu einer Geldstrafe verurteilt. Ballwegschlagen war ein nichtiges Vergehen, das konnte schon einmal passieren in der Hitze des Spiels. Heinz Höher war dieses Schlupfloch im Strafkatalog einige Monate zuvor aufgefallen.
In der entscheidenden Partie gegen Kaiserslautern erzielte Dieter Eckstein nach zwölf Minuten das 1:0. Gut anderthalb Stunden später schrie Rundfunkreporter Günther Koch ins Mikrofon: »Nürnberg grüßt Europa!« Mit einem wackligen 3:2-Sieg hatte der Club den fünften Platz gesichert. Er durfte im UEFA-Pokal starten. Die Freude war echt. Die Umarmungen von Heinz Höher mit Roland Grahammer und Stefan Reuter gerieten nur etwas zu lang.
Roland Grahammer fragte sich noch oft, was er getan hätte, wenn der 1. FC Nürnberg um sein Bleiben gekämpft hätte. Natürlich, wenn die Bayern riefen, war es schwer zu widerstehen, wahrscheinlich wäre er trotzdem nach München gegangen. Doch was, wenn der Club ihm lange vor den Bayern ein Angebot gemacht hätte? »Ich glaube, dass ich geblieben wäre. Nürnberg war mein Klub, meine Mannschaft. Wenn das Spiel losging, sind wir gleich drauf, gleich nach vorne, da wurde getreten, da wurde gespielt, bis die Gegner es klingeln hörten: Hallo, hier ist Nürnberg! Abends dann gehörte uns die Stadt.« Roland Grahammers Stimme senkt sich. »So eine Mannschaft wird es nie wieder geben.«
Zur Feier der UEFA-Pokal-Qualifikation war zum letzten Heimspiel der Saison gegen Kaiserslautern ein Festzelt hinter der Haupttribüne aufgebaut worden. Wer von den 20000 Fans reinwollte, wer reinpasste nach dem Sieg, durfte rein. Der Sauerstoffgehalt tendierte gegen null Prozent, dafür war die Temperatur umso höher. Es roch nach Ausdünstungen jeglicher Art. Hier sollten Stefan Reuter und Roland Grahammer mit Blumen verabschiedet werden. Ein Bundesligaklub war auch nur ein ganz normaler Sportverein, wo Formalitäten wie die Verabschiedung würdiger Mitarbeiter so vonstattengingen, wie es immer schon gewesen war.
Reuter und Grahammer standen mit ihren Blumen vorne im Zelt auf der Bühne. Zieht den Bayern die Lederhosen aus, grölte das Volk. Reuter und Grahammer quälten ein Lächeln hervor. Viel Glück bei den Bayern, wünschte Vizepräsident Sven Oberhof, der das Mikrofon in der Hand hielt, und nächstes Jahr schlagen wir euch und die Bayern dann!
Stefan Reuter und Roland Grahammer verließen das Zelt. Die Fans warfen Bierbecher und Bratwürste mit Senf auf sie. Heinz Höher trat auf die Bühne. Das Hemd, bis zum dritten Knopf geöffnet, klebte am Körper. In den Haaren trug er eine dicke rot-weiße Kordel von der Kutte eines Fans. Auf den Schwarz-Weiß-Fotos der Pressefotografen würde die geflochtene Kordel später wie ein Lorbeerkranz der modernen Kunst aussehen. »Höher, wir danken dir!«, sang das Volk. Heinz Höher hob die Hand zum Gruß. Er war zu glücklich, um daran zu denken, dass die Leute, die in einem Moment Lobpreisungen sangen, im nächsten Augenblick mit Bierbechern warfen.
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