Spieltage
gebracht, die mit ihm in den schwärzesten Stunden durch dick und dünn gingen«, schrieben die Nürnberger Nachrichten. Heinz Höher hatte wieder einmal eine Werbeidee gehabt. Er hatte Kartenpakete geschnürt. Für 50 Mark gab es Stehplatztickets für die Partien gegen den HSV, Leverkusen und Rom im Dreierpaket, es machte also 17 Mark pro Spiel. Gewöhnlich kostete die Stehplatzkarte für eine Bundesligapartie 13 Mark. Er dachte, alle hätten etwas von seiner Idee, der Club bekäme mehr Zuschauer gegen den HSV und Leverkusen, und die Fans umgingen die teuereren Preise gegen Rom, wo die einzelne Stehplatzkarte 40 Euro kostete. Aber die Zeitungen und Fans interpretierten das Paket als Erpressung: Nur wer sich die Spiele gegen Hamburg und Leverkusen antat, kam zu einem ordentlichen Preis gegen Rom ins Stadion. Heinz Höher verteidigte sich nicht gegen die Angriffe der Zeitungen. Er hatte das Gefühl, sowieso nicht verstanden zu werden.
Er fuhr mit Jürgen Köper ins Stadion, der aus Bochum für den Festtag angereist war, um seine alte Weggefährten Gerland und Höher und natürlich eine italienische Mannschaft zu sehen. Er müsse dem Hermann sagen, dass er den Eckes nicht so schroff anpacken könne, sagte Heinz Höher, und Jürgen Köper dachte sich, der Hermann Gerland und der Heini Höher tauschen sich aus, die arbeiten zusammen. Nach dem Spiel sagte Heinz Höher zu Gerd Schmelzer, wie konnte Gerland nur der Mannschaft die Parole ausgeben, die laufen wir tot, wie konnte er nur Tempo ins Spiel bringen, wenn sie doch angesichts des 2:1-Vorsprungs einfach den Italienern den Rhythmus hätten klauen müssen. AS Rom gewann 3:1, durch ein Kopfballtor von Renato in der Verlängerung. Der Brasilianer hatte zwölf Millionen Mark gekostet, Wahnsinn, die Italiener, mit zwölf Millionen finanzierte der 1. FC Nürnberg achtzehn Monate lang den gesamten Betrieb.
Mit professioneller Kühle absolvierte die Mannschaft des 1. FC Nürnberg am Tag nach dem Ausscheiden gegen Rom ein leichtes Morgentraining. Sie waren wieder ein ganz gewöhnlicher Bundesligist. Er musste mit dem Hermann reden, sagte sich Heinz Höher, aber tat er überhaupt irgendetwas anderes, als die gesamte Zeit innerlich mit Hermann Gerland zu reden?
Der Trainer hatte Heinz Höhers grimmiges Gesicht in den vergangenen Wochen schon zu oft gesehen. Was will er überhaupt, dachte sich Gerland, will er einen zweiten Heinz Höher aus mir machen? Er wusste doch vorher, wie ich bin, dass ich mir nicht reinreden lasse, dass ich nicht nur Prinzipien habe, sondern ihnen eisern folge.
Hermann Gerland überspielte, wie er unter Höhers kaltem Zorn litt. Gerland wies seine Spieler direkt und durchaus auch mal schroff auf ihre Mängel hin, aber gleichzeitig sehnte er sich danach, in Harmonie zu arbeiten. Das war kein Widerspruch, das war menschlich.
Heinz Höher beobachtete seinen Lieblingsschüler Dieter Eckstein am Morgen nach dem Spiel gegen Rom im Pulk der Spieler, die locker ausliefen. Eckes hatte beim Laufen den Blick auf den Boden gesenkt, Fußballer liefen so, aber Heinz Höher fragte sich, wo war Eckes’ erhobenes Haupt, wo war Eckes’ Lachen; Hermann Gerland hatte den Eckes öffentlich hingerichtet mit seinen Andeutungen, der Eckes arbeite nicht gut, der Eckes erlaube sich zu viel! Natürlich rauchte und trank der Eckes mal, aber man musste ihn seine Stärken ausleben lassen, nicht an seinen Schwächen herummäkeln.
Während ihr Mann am Valznerweiher seine traurigen Runden drehte, legte Ute Eckstein ihr drittes Kind, den sieben Wochen alten Dennis, gegen halb elf schlafen. Um halb eins, Dieter musste jeden Moment nach Hause kommen, sah sie nach, ob Dennis wirklich noch immer nicht wach war, zwei Stunden schlief er sonst nie. Sie fand ihn tot in seiner Wiege.
Plötzlicher Kindstod, sagte der Arzt.
Ein Kind zu verlieren, dachte sich Heinz Höher, ließ sich weder mit Glauben an Gott noch mit Hass auf Gott bewältigen. Er musste an Markus, Susanne und Thomas denken, und es schauderte ihn.
In der Bundesliga reisten Nachrichten schnell. Dieter Eckstein kommt unter Hermann Gerland nicht zurecht, Dieter Eckstein erlebte das grausamste persönliche Drama, den Tod eines Kindes; Dieter Eckstein müsste für uns zu haben sein. Eintracht Frankfurt gab ein Angebot ab. Sie würden 3,4 Millionen Mark für Eckstein zahlen.
Mehr Geld hatte der 1. FC Nürnberg noch nie für einen Fußballspieler erhalten.
Etwas in Heinz Höher sperrte sich, nicht auch noch den Eckes. Aber dann
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