Spieltage
Monat. Als Schatzmeister des Clubs hantierte er mit Millionen, bewilligte 35000 Mark Handgeld hier, bezahlte mit der Kreditkarte des Vereins rauschende Abende für mehr als tausend Mark dort. Er begann mit der goldenen Kreditkarte des Clubs für sich selbst Davidoff-Zigarillos zu kaufen, er hielt die dienstliche Lufthansa-AirPlus-Card vom Club hin, wenn er Flüge zur Arbeit nach Flensburg oder Leipzig bezahlte, er besorgte sich von einem Taxifahrer einen Blankoblock mit Taxirechnungen, stellte sich selbst Belege aus, Stadtfahrt 150 Mark, und rechnete sie mit dem Club ab.
Niemand auf der Führungsebene des Vereins wollte wissen, was der Ingo im Kleinen machte, im großen Ganzen leistete er als Schatzmeister doch vorzügliche Arbeit.
In Hamburg fand Heinz Höher einen Nachfolger für Dieter Eckstein, der Fußball auch mit dem Po spielte. Juniorennationalspieler Bruno Labbadia streckte bei der Ballannahme den Hintern raus, mit dem Po hielt er sich den Manndecker hinter ihm vom Leib, während er sich um die eigene Achse dem Tor zudrehte. Die Kinder der ersten Gastarbeitergeneration kamen in der Bundesliga an, Erdal Keser, Maurizio Gaudino, Bruno Labbadia, seine Eltern waren aus dem Südosten von Rom in ein hessisches Kaff immigriert, um als Kanalbauer und Näherin in der Gardinenfabrik die sieben Kinder zu ernähren. Am letzten Montag im Oktober erklärte Labbadia, der beim Hamburger SV nur ersatzweise stürmen durfte, er freue sich, sein Vereinswechsel nach Nürnberg sei beschlossen. Am Dienstag sagte Heinz Höher den Handel ab. Eine Rippe Labbadias war angebrochen.
»Labbadia ist nicht in jener Verfassung, die wir zur Lösung unserer kurzfristigen Probleme benötigt hätten«, erklärte Heinz Höher den Nürnberger Zeitungsreportern. Tatsächlich wollte er Labbadia noch immer verpflichten. Aber er hatte Angst, von der Presse erneut wüst angegriffen zu werden, wenn er einen verletzten Stürmer anbringe. Und er hoffte, die Ablösesumme zu drücken, wenn er den HSV zappeln ließ.
Aber Bruno Labbadia und der HSV hatten keine Lust zu zappeln. Labbadia wechselte stattdessen zum 1. FC Kaiserslautern. Die Presse fiel über Heinz Höher her. Hatte er nicht mitbekommen, dass Labbadias Rippenbruch nach drei Wochen ausgeheilt gewesen wäre? Wie konnte er wegen solch einer Lappalie den Transfer bloß platzen lassen? »Club-Manager verrückt oder gar unfähig?«, fragte die Abendzeitung in der Überschrift.
Präsident Schmelzer legte die Stirn in die Hände. Was hatte Heinz Höher jetzt wieder angestellt? Wenn ich von einem Spieler überzeugt war, kam es doch nicht darauf an, ob er drei Wochen fehlte. Und die Ablösesumme drücken – 800000 Mark hat der Hamburger SV für Labbadia gefordert. Für Eckstein hatte der Club 3,4 Millionen erhalten.
Schmelzer aber ließ Heinz Höher machen. Er traute sich bei Fachfragen nicht, gegen seinen Trainer zu entscheiden. Er fühlte sich zu unerfahren. So oft hatte Heinz Höher in Spielern etwas gesehen, was niemand sah, Dorfner, Schwabl, Reuter, Grahammer, Köpke, fünf Fußballer aus der Diaspora, denen er die erste Chance gegeben hatte, waren Nationalspieler geworden. Mit dieser Bilanz im Hintergrund versuchte Schmelzer seinen Freund auch im Fall Labbadia zu verstehen. Die Gedanken bei Heinz Höher gingen halt um viele Ecken, aber sie führten in Fußballfragen auf eine höhere Ebene; meistens. Der verschmähte Bruno Labbadia wurde später bei anderen Vereinen Nationalspieler.
Solch ein Fauxpas passierte jedem einmal, der in der Bundesliga Entscheidungen fällen musste. Im besten Fall, wie in Nürnberg Mitte der Achtziger, waren diese missglückten Aktionen irgendwann nur noch lustige Anekdoten. Aber nun, im Winter 1988/89, stand der 1. FC Nürnberg ohne Eckstein, ohne Labaddia, ohne Torjäger da. Hermann Gerlands Elf steckte im untersten Tabellendrittel fest.
Die Zeitungsreporter wurden bissiger. »Wegen jedes Kratzers zum Masseur zu rennen, sich auszuweinen und das Training zu schwänzen, sagt viel über die Mentalität der Spieler am Valznerweiher«, schrieben die Nürnberger Nachrichten. Trainer Gerland erklärte, er könne keine Lahmen zum Laufen bringen. Heinz Höher fauchte ihn an, er solle aufhören, ständig die Spieler schlechtzumachen, so würden sie nie besser. Die Zuschauer wurden weniger. 14500 gegen den Meister Werder Bremen, 12000 gegen Hannover, 10000 gegen die Stuttgarter Kickers. Der Club würde nicht ohne herbe finanzielle Einbußen durch die Saison kommen. Die
Weitere Kostenlose Bücher