Spieltage
sagte der Eckes, bei dem Angebot, das ihm die Eintracht mache, gehe er, er habe genug von allem. Genug von allem. Wie schaurig das Unausgesprochene klang, das in dem Wort steckte.
Wenn er dafür einen neuen Qualitätsstürmer bekomme, werde er sich dem Verkauf nicht in den Weg stellen, sagte Trainer Gerland. Eigentlich können wir das Geld nicht zurückweisen, sagte Gerd Schmelzer. Du musst als Manager auch an das Geld denken, sagte sich Heinz Höher. So überredeten sie sich alle gegenseitig zu einem Verkauf, von dem keiner von ihnen richtig überzeugt war.
Innerhalb von fünf Monaten hatte der 1. FC Nürnberg durch die Verkäufe der Spieler Reuter, Grahammer, Andersen, Eckstein 9,4 Millionen Mark erlöst. Du musst auch mal an dich denken, hatte sein Freund Dieter Reiber zu Heinz Höher gesagt, der in drei Jahrzehnten im bezahlten Fußball die Verträge so unterschrieben hatte, wie sie ihm vorgelegt wurden. Als er seinen Managervertrag aushandelte, legte er Gerd Schmelzer eine Liste mit den Wertsteigerungen vor, die ein Dutzend Spieler unter seiner Obhut erfahren hatte: Köpke, gekauft für 200000 Mark, Wert heute: 2,5 Millionen. Grahammer, gekauft für 200000, verkauft für 2,4 Millionen. Reuter, gratis aus der eigenen Jugendelf gekommen, verkauft, genau wie Eckstein, für 3,4 Millionen … Heinz Höher erhielt einen Bonus von 350000 Mark. Es wurde alltäglich beim 1. FC Nürnberg, mit größeren Summen zu hantieren. Wenn man erst einmal damit anfing, wurde einem dabei auch gar nicht mehr bange. Es standen doch bloß ein paar Nullen mehr in den Zahlen.
Herr Dr. Rödl, der Wirtschaftsprüfer, der seit fünfzehn Jahren die Bilanzen des 1. FC Nürnberg kontrollierte, verkündete, der Club habe im abgeschlossenen Geschäftsjahr 1987/88 eines seiner besten Ergebnisse der Geschichte erzielt. Man könne davon ausgehen, dass der Verein schuldenfrei sei. Dass der 1. FC Nürnberg ohne die Spielerverkäufe, wie nahezu alle Bundesligisten, Verlust gemacht hätte, ging in der guten Nachricht unter. Schatzmeister Professor Doktor Doktor Ingo Böbel, der an den Hochschulen von Flensburg und Leipzig Volkswirtschaft lehrte, wurde von den Zeitungen für seinen umsichtigen Haushalt gepriesen. Ungestört konnte sich Böbel intern dem kleinen Geheimnis des Clubs widmen. In der Buchhaltung hatte er eine metallgraue Kasse deponiert. Dort stapelte er das Schwarzgeld. Die Honorare für Freundschaftsspiele oder Hallenturniere waren prinzipiell in bar bei Böbel abzugeben. Hanne, die Buchhalterin des Clubs, die bald in Rente ging, eine zuverlässige Frau ihr ganzes Arbeitsleben lang, trug die Einnahmen und Ausgaben aus der schwarzen Kasse sorgfältig in ein Belegbuch ein. Beleg Nr. 49: 20000 Mark an Dieter Eckstein ausgezahlt, Handgeld. Beleg Nr. 71: 16000 Mark eingenommen, Freundschaftsspiel in Scheinfeld. Beleg vom 30. November 1988: 2200 Mark an Geschäftsführer Manfred Räntsch ausgezahlt, Kleidung. Auch die Schiedsrichter wurden fürsorglich betreut. Trainingsklamotten oder auch einmal ein Kettler-Heimtrainer standen als Geschenke für sie bereit. Das machten doch alle, glaubte Präsident Schmelzer.
Alles an Professor Doktor Doktor Böbel war groß, der Kopf, der Hals, auch die runde Brille, die mit hautfarbenem Rahmen von der Nasenspitze bis zu den Augenbrauen reichte. Mit seinen langen Haaren im Nadelstreifenanzug sah er wie jemand aus, der Investmentbanker und Rockstar gleichzeitig sein wollte. Auf den Feiern des Präsidiums im Café Central, im Sebald oder später am Abend gerne auch einmal bei Gerd Schmelzer im Schloss zog er eine stachelige Gummikugel aus dem Scherzartikelladen aus der Tasche. Die Kugel konnte laufen und zubeißen, wenn sie gegen einen Arm oder ein Bein stieß. Die Runde lachte, und Ingo Böbel fühlte, wie das Glück heiß durch seinen Körper lief: Er brachte die Runde zum Lachen. Als Kind war er samstags zum Club gelaufen, was für ein Gefühl, wenn 30000 zusammen nach einem Tor schrien, wenn er die Kraft der Masse am eigenen Körper spürte, und jetzt gehörte er dazu, jetzt war er im Club. Nachts in Schmelzers Schloss holte er seine Gitarre raus, als Jugendlicher hatte er einmal in einer Band gespielt, er spielte I can’t get no satisfaction, und nach der Schau stand er auf und zertrümmerte, in Schmelzers Wohnzimmer, seine eigene Gitarre. Die Runde lachte noch lauter. Der Ingo ist ein guter Typ, sagte Heinz Höher.
Als Honorarkraft an der Universität verdiente Professor Dr. Dr. Böbel 4000 Mark im
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