Spielwiese: Peter Nachtigalls siebter Fall
»Brasilianische Frauen fußballnationalmannschaft! Immerhin ist Dresden Austragungsort für Spiele der WM. Die Delegation möchte sich davon überzeugen, dass das Stadion in bestem Zustand ist, überprüft die Sicherheitsvorkehrungen in den Hotels und checkt, ob wir insgesamt gut vorbereitet sind«, klärte er Mangold auf.
»Ach so! Frauenfußball!«
»Ist groß im Kommen, sag ich Ihnen. Nachdem unsere Mädels so erfolgreich sind, gibt es ja fast schon einen Hype. Weltmeistertitel haben sie geholt, bei der U20! Meine Kleine ist auch schon ganz verrückt. Sie kann es kaum erwarten, dass die WM endlich losgeht.«
»Stimmt, ist ziemlich populär geworden. Meine Frau guckt auch alle Spiele an. Wahrscheinlich hat sie mir schon von den WM-Vorbereitungen erzählt. Wer weiß, vielleicht bekommen wir wieder so ein »Sommermärchen« wie bei der WM der Männer, mit jubelnder Fanmeile und jeder Menge Fähnchen an den Autos. Ich staune immer, wieso es beim Fußball möglich ist, dass sich so unglaublich viele Fans zum Feiern versammeln – und alles bleibt friedlich! Bei anderen Veranstaltungen funktioniert das leider nicht so reibungslos. Wo doch gerade eine WM ein emotionales Ereignis ist, alle fiebern mit, hoffen, sind begeistert oder tief enttäuscht. Ist ein echtes Phänomen.«
Ich muss besser zuhören, dachte Mangold schuldbewusst, als er seine Ausführungen beendet hatte. Nur gut, dass Irmchen dieses Gespräch nicht mitgehört hat. Frauen reagierten manchmal recht empfindlich, wenn ihre Männer sofort vergaßen, was sie ihnen aufgeregt berichtet hatten.
Zu diesem Zeitpunkt konnte Mangold noch nicht ahnen, wie sehr ihn dieses Thema in den kommenden Wochen beschäftigen sollte.
7
»Es gibt tatsächlich eine Akte über Roland Keiser«, freute sich Michael Wiener. »Ich habe sie schon angefordert. Und der Computer kennt ihn auch. Der Fall gilt aber als abgeschlossen. Seit 20 Jahren schon.«
»Das war dann wohl damals ein kapitaler Irrtum.«
»Ungesetzlicher Grenzübertritt – steht zumindest hier.«
»Da ist er nicht der Erste, der nach Abschluss der Ermittlungen plötzlich als Mordopfer wieder auftaucht«, knurrte Nachtigall.
»War eben praktisch. Der Bürger war nicht verschwunden, man musste kein Kapitalverbrechen befürchten«, erklärte Albrecht Skorubski bitter. »Mord und Totschlag sollte es ja im Sozialismus eigentlich gar nicht mehr geben. Weil man keinen Grund mehr hatte, einander zu beneiden und alle glücklich waren. Theoretisch wenigstens. Stimmte aber nicht. Und so blieb mancher Mord schlicht unentdeckt.«
»Kannst du dich noch an den Fall erinnern – das ist Ewigkeiten her –, wo die Ehefrau überraschend verschwunden war? Der Mann berichtete von großer Unzufriedenheit und Plänen, in die BRD auszureisen. Einen Antrag hatte die Ehefrau aber nie gestellt, sie musste im Geheimen alle Vorbereitungen getroffen haben. Er selbst habe das Gerede gar nicht so ernst genommen, aber nun, wo sie verschwunden sei, müsse er doch annehmen, dass sie ihre Pläne umgesetzt habe. Er müsse akzeptieren, verlassen worden zu sein. Es wurde oberflächlich gestochert, aber die Ermittlungen wurden bald eingestellt. Umso größer die Überraschung, als man die Vermisste tot aus einem Gully barg. Gut verschnürt. Und den Mörder hatte man schnell gefasst. Der Ehemann hatte sie wegen Streitigkeiten um Geld getötet«, erzählte Nachtigall.
»Ja, stimmt! Ich erinnere mich. Ging es nicht um eine Erbschaft?«
»Genau. Und um die Tatsache, dass seine nun wohlhabende Frau sich von ihm scheiden lassen wollte.«
»Wenn das so war, sind doch sicher viele Morde überhaupt nicht registriert worden«, staunte Michael Wiener. »Haben die Ermittler sich wirklich so einfach abspeisen lassen? Das kann ich mir nicht vorstellen!«
»Mord war einfach unpopulär. Die meisten Ermittler haben sich nicht in die Irre schicken lassen, so einfach, wie es sich jetzt anhört, war die Polizei nicht zu täuschen. Und so unglaublich viele Morde gab es nun auch wieder nicht«, beruhigte Skorubski den jungen Kollegen. »Aber es kam vor.«
»Man musste solch eine Geschichte auch sorgfältig vorbereiten. Schließlich haben die Polizisten diese Mär nicht kritiklos geglaubt. Aber wenn alles schlüssig klang – warum zweifeln? Und meist wurde der Grenzübertritt von den westdeutschen Medien oder aus Regierungskreisen schnell bestätigt.«
»Ja, das ist wahr! An ein paar spektakuläre Fluchte’ kann ich mich au no erinnere! Die mit dem Ballon
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