Spillover
Überprüfung. Eine andere Vermutung betrifft die Ebolaviren. Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich das Ebolavirus ein paar Seiten zuvor zusammen mit Hendra, Nipah und anderen in eine Kategorie von Erregern eingeordnet habe, für die Fledertiere als Reservoirwirte dienen. Deshalb hier zur Klarstellung: Diese Einordnung ist vorläufig. Sie ist eine Hypothese, die noch weiterer Belege bedarf, ehe sie als gesichert gelten kann. Zu der Zeit, da diese Zeilen geschrieben werden, hat noch niemand aktive Ebolaviren aus einem Fledertier isoliert – und die Isolierung von Viren ist nach wie vor das entscheidende Kriterium zur Identifizierung eines Reservoirwirts. Allerdings erscheint die Hypothese von Ebola in den Fledertieren stichhaltiger, seit es der Arbeitsgruppe von Jonathan Towner gelungen ist, das Marburgvirus, das eng mit Ebola verwandt ist, aus Fledertieren zu isolieren. Auch andere Daten, die ungefähr zur gleichen Zeit zu den gesammelten Erkenntnissen über die Ebolaviren hinzukamen, deuten in diese Richtung. Diese Daten stammen aus einer Geschichte über ein kleines Mädchen.
Geleitet wurde das Team, das die Geschichte rekonstruierte, von Eric Leroy, dem Virusforscher, der in Franceville in Gabun arbeitet und seit mehr als zehn Jahren hinter dem Ebolavirus her ist. Die neuen Befunde waren keine Erfolge der molekularen Virologie, sondern Ergebnisse altmodischer epidemiologischer Detektivarbeit: Befragung von Überlebenden, Rekonstruktion von Kontakten, Erkennen von Gesetzmäßigkeiten. Den Hintergrund bildete eine Ebola-Epidemie, die sich in und um Luebo abspielte, einem Dorf am Fluss Lulua im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Dort erkrankten zwischen Ende Mai und November 2007 mehr als 260 Menschen an einer Krankheit, die möglicherweise oder (in einigen Fällen) eindeutig vom Ebolavirus hervorgerufen wurde. Die meisten Betroffenen starben – die Sterblichkeit lag bei 70 Prozent. Leroy und seine Kollegen trafen im Oktober mit einer internationalen Eingreiftruppe der WHO und des kongolesischen Gesundheitsministeriums ein. Leroys Studie konzentrierte sich auf das Netzwerk der Übertragungen, denn diese ließen sich offenbar alle auf eine einzige Frau zurückführen. In dem Bericht wurde sie als Patient A bezeichnet. Sie muss nicht zwangsläufig der erste Mensch gewesen sein, der sich ansteckte; sie war nur die Erste, die man identifizieren konnte. Diese Frau, die mit 55 Jahren nach den Maßstäben kongolesischer Dörfer bereits im fortgeschrittenen Alter war, starb nach einer Erkrankung mit hohem Fieber, Erbrechen, Durchfall und Blutungen. Elf enge Kontaktpersonen, die meisten davon Angehörige, die sie gepflegt hatten, erkrankten und starben ebenfalls. Von hier breitete sich die Epidemie aus.
Leroy und seine Arbeitsgruppe gingen der Frage nach, wie die Frau sich infiziert hatte. Vor ihr hatte niemand aus ihrem Dorf Symptome gehabt. Also erweiterten die Wissenschaftler ihre Suche auf die Dörfer in der Umgebung, und das waren nicht wenige. Die klapperten sie nacheinander ab und befragten die Einwohner. So fanden sie heraus, dass die Dörfer durch Fußwege verbunden waren und dass insbesondere montags starker Fußgängerverkehr in Richtung des Dorfes Mombo Mouene 2 herrschte, wo ein großer Wochenmarkt stattfand. Außerdem erfuhren sie, dass sich jedes Jahr wandernde Flughunde in der Gegend sammelten.
Die Fledertiere kamen meist im April und Mai und machten auf zwei Inseln im Fluss Station, wo sie Schlafplätze und Bäume mit wilden Früchten vorfanden. Nach dem, was Leroys Gruppe hörte, kamen in einem durchschnittlichen Jahr Tausende oder sogar Zehntausende von Tieren. Im Jahr 2007 waren es besonders viele gewesen. Von ihren Schlafplätzen auf der Insel aus durchstreiften die Fledertiere die gesamte Region, um Nahrung zu suchen. Beim überwiegenden Teil der Tiere handelte es sich um Hammerkopf-Flughunde ( Hypsignathus monstrosus ) und Franquet-Epauletten-Flughunde ( Epomops franqueti ), zwei der drei Arten, bei denen Leroy früher bereits Ebola-Antikörper gefunden hatte. Die Flughunde hingen zum Schlafen dicht an dicht in den Bäumen. Die Einheimischen, die auf Protein und ein wenig Zusatzverdienst aus waren, jagten sie mit Gewehren. Besonders begehrt waren die großen, fleischigen Hammerkopf-Flughunde. Mit einem einzigen Schuss aus der Schrotflinte konnte man mehrere Dutzend Flughunde erlegen. Viele dieser Tiere landeten frisch getötet, roh und blutig, auf dem Wochenmarkt in Mombo Mouene 2, und von
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