Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
Vom Netzwerk:
von Friedman-Kien erschien am 3. Juli 1981 in Morbidity and Mortality Weekly Report .
    Eine herausragende Rolle spielte das Kaposi-Sarkom auch in einer Reihe klinischer Beobachtungen, die man ungefähr zur gleichen Zeit in Miami anstellte. Die Patienten dieser Gruppe hatten ähnliche Symptome, ihr kultureller Hintergrund war aber ein anderer. Bei diesen insgesamt zwanzig Erkrankten, die zwischen Anfang 1980 und Juni 1982 ins Krankenhaus kamen, handelte es sich ausnahmslos um Einwanderer aus Haiti. Die meisten von ihnen waren erst vor kurzer Zeit in die Vereinigten Staaten gekommen. Alle gaben in der Anamnese an, heterosexuell zu sein und sich auch in der Vergangenheit nicht homosexuell betätigt zu haben. Die Krankheitshäufung erinnerte aber an die Beobachtungen, die Gottlieb an Schwulen in Los Angeles und Friedman-Kien an Schwulen in New York gemacht hatte: Pneumocystis -Lungenentzündung, Candidiasis im Rachen und andere ungewöhnliche Infektionen, anormale Lymphocytenzahlen und ein aggressives Kaposi-Sarkom. Zehn der Haitianer starben. Das Ärzteteam, das diese Beobachtungen veröffentlichte, erkannte darin ein »Krankheitsbild «, das »verblüffende Ähnlichkeit mit dem Immunschwäche-Syndrom aufweist, welches kürzlich bei amerikanischen Homosexuellen beschrieben wurde«. 133 Der Zusammenhang mit den Heterosexuellen aus Haiti wurde später als vermeintlich falsche Spur fallengelassen und in den Diskussionen über AIDS weitgehend ignoriert. Ihn aufgrund der Anamnese zu bestätigen, war schwierig, und noch schwieriger war es, die Daten zu interpretieren. Schon darauf aufmerksam zu machen, galt als politisch nicht korrekt. Seine wahre Bedeutung kam erst sehr viel später durch molekulargenetische Untersuchungen ans Licht.
    Ein anderer vermuteter Ausgangspunkt war Ga ë tan Dugas, der junge kanadische Flugbegleiter, der als »Patient null« traurige Berühmheit erlangt. Dugas wurde als der Mann bezeichnet, der »das Virus aus Afrika heraus- und in die Gemeinde der Homosexuellen im Westen hineinbrachte.« 134 Der war er aber nicht. Allerdings spielte er offenbar in den 1970er und frühen 1980er Jahren durch sein grob fahrlässiges Verhalten eine unglaublich große Rolle als Überträger. Als Flugbegleiter, der nahezu kostenlos reisen konnte, flog er häufig zwischen den größeren Städten Nordamerikas hin und her, stürzte sich überall, wo er landete, in ausschweifende Unternehmungen und riss einen Typen nach dem anderen auf, kurz, er führte das Leben eines sexuell unersättlichen schwulen Mannes. Dugas hatte blondes Haar, war eitel, aber charmant und für manche »wahnsinnig attraktiv«. 135 Nach Angaben von Randy Shilts, Autor des Buches And the Band Played On (dt. AIDS , and the band played on. Die Geschichte eines großen Versagens ), schätzte Dugas selbst die Zahl seiner Sexualpartner in den zehn Jahren, seit er homosexuell aktiv war, auf mindestens 2500. Für seine rücksichtslose Sexgier zahlte er einen hohen Preis. Er bekam ein Kaposi-Sarkom, unterzog sich deshalb einer Chemotherapie, litt an Pneumocystis -Lungenentzündung und anderen AIDS -bedingten Infektionen, und starb mit 31 Jahren an Nierenversagen. Aber auch in den wenigen Jahren zwischen der Diagnose des Kaposi-Sarkoms und der endgültigen Bettlägerigkeit trieb Dugas es munter weiter. Dabei schlug sein Hedonismus in Heimtücke um: Nachdem er in einer Schwulensauna in San Francisco mit einem neuen Bekannten Sex gehabt hatte – so behauptet es jedenfalls Randy Shilts –, schaltete er das Licht ein, zeigte ihm seine Hautveränderungen und sagte: »Ich habe den Schwulenkrebs. Ich werde sterben und du auch.« 136
    Im März 1984 – dem Monat, in dem Dugas starb – veröffentlichte ein Epidemiologenteam aus den CDC eine bahnbrechende Studie über die Bedeutung sexueller Kontakte für die Verbindung zwischen den Fällen von AIDS , wie man die Krankheit mittlerweile nannte. Damit hatte die Welt ein Etikett, aber keine Erklärung. Die CDC -Arbeitsgruppe unter Leitung von David M. Auerbach schrieb: »Die Ursache von AIDS ist zwar unbekannt, die Krankheit dürfte aber durch einen infektiösen Erreger verursacht werden, der analog zu einer Hepatitis-B-Infektion von einem Menschen zum anderen übertragen wird.« 137 Hepatitis B ist ein Virus, das mit Blut übertragen wird. Die Ansteckung erfolgt vorwiegend durch sexuelle Kontakte, Drogenkonsum mit gemeinsam benutzten Kanülen oder die Transfusion von Blutprodukten, in denen das Virus als Verunreinigung

Weitere Kostenlose Bücher