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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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in wilden Seevögeln haben, die Erreger ordnen sich aber in Schweinen und anderen Tieren (auch Wachteln dienen bekanntermaßen als Mischgefäß) immer wieder neu, und wenn sie auf Menschen übergehen, enthalten sie in der Regel H1, H2 oder H3 und die zehn anderen erforderlichen Proteine, manche davon in Formen, die sie von diesem oder jenem Vogel- oder Schweine-Influenzavirus übernommen haben. Auch Subtypen mit H7 und H5 haben hin und wieder »versucht«, sich gegen Menschen zu richten, aber wie mir Webster erklärt, hatten sie bisher keinen großen Erfolg.
    »Sie infizieren Menschen«, sagt er, »aber sie haben die Übertragbarkeit noch nicht hingekriegt«. Sie werden nicht von Mensch zu Mensch weitergegeben. Sie können zwar eine Menge Geflügel töten und sich in ganzen Beständen ausbreiten, aber sie wandern nicht mit den Tröpfchen, wenn ein Mensch niest. (Bei Vögeln ist die Influenza vor allem eine Infektion der Verdauungsorgane, und die Übertragung erfolgt mit Exkrementen, die gefressen werden; ein erkrankter Vogel verteilt das Virus mit seinem Kot auf dem Fußboden des Stalls oder auf dem Hof, aber auch im Wasser eines Sees oder Flussmündungsgebietes, und ein anderer Vogel nimmt ihn auf, wenn er pickt oder nach Nahrung gräbt. Auf diesem Weg waren vermutlich die südafrikanischen Seeschwalben und die australischen Sturmtaucher mit dem Virus in Kontakt gekommen.) Man muss also schon ein Huhn in die Hand nehmen oder eine Ente zerlegen, um sich zu infizieren. Aber bei einer derart vielgestaltigen Gruppe von Viren, die ständig mutieren und sich neu ordnen, kann die Sache nach dem nächsten »Versuch« bereits anders aussehen. Deshalb besteht nach Websters Worten »derzeit nicht die geringste Hoffnung«, eine Voraussage über die nächste Pandemie zu machen.
    Allerdings verdienen einige Erreger eine genauere Beobachtung. Das gilt insbesondere für H5N1, allgemein besser bekannt als »Vogelgrippe«.
    Als dieser beängstigende Subtyp zum ersten Mal auftauchte, spielte Webster bei der Bekämpfung eine wichtige Rolle. Im Mai 1997 starb ein dreijähriger Junge in Hongkong an der Influenza, und in einem Abstrich aus seiner Luftröhre konnte man Viren nachweisen. Die medizinischen Labors in Hongkong erkannten das Virus nicht. Das Probenmaterial von dem Jungen wurde an die CDC geschickt, aber auch dort gelang es niemandem, den Erreger zu charakterisieren. Dann erhielt ein niederländischer Wissenschaftler, der in Hongkong zu Besuch war, eine Probe des Virusmaterials, und als er wieder zu Hause war, machte er sich sofort an die Arbeit. Der Niederländer informierte seine Kollegen rund um den Globus, dass der Erreger wie H5 aussah. Eine Vogelgrippe. »Wir haben alle gesagt, das ist unmöglich«, erinnert sich Webster. »H5 richtet sich nicht gegen Menschen. Wir dachten, er habe einen Fehler gemacht.« Aber es war kein Fehler. Zum ersten Mal gab es einen dokumentierten Fall, in dem ein reines Vogelgrippevirus, das also keine Gene von menschlichen Grippeviren enthielt, bei einem Menschen eine tödliche Atemwegsinfektion verursacht hatte. Im November wurden drei weitere Fälle bekannt. Als es so weit war, bestieg Webster persönlich ein Flugzeug nach Hongkong.
    Für einen medizinischen Notfall war 1997 ein schlechter Zeitpunkt: In diesem Jahr wurde Hongkong von einer britischen Kolonie in eine chinesischen Sonderverwaltungszone umgewandelt. Die staatlichen Institutionen befanden sich im Umbruch, Verwaltung und Personal unterlagen einer starken Fluktuation, und Robert Webster musste feststellen, dass es an der Universität von Hongkong keine Influenza-Experten gab. Gleichzeitig erkrankten weitere Menschen; bis zum Jahresende waren es 18, die Sterblichkeit lag bei 33 Prozent. Der Vogel-Subtyp war äußerst virulent. Aber war er auch übertragbar? Bisher hatte niemand seine Herkunft aufgeklärt, ganz zu schweigen von einer Antwort auf die Frage, ob er sich unter Menschen schnell verbreitet. »Also habe ich alle Postdocs zusammengetrommelt, die ich rund um den Pazifik ausgebildet hatte«, berichtet Webster. »Ich habe ihnen gesagt, sie sollen nach Hongkong fliegen. Innerhalb von drei Tagen hatten wir dann das Virus auf den Märkten für Lebendgeflügel ausfindig gemacht.«
    Das war ein entscheidender erster Schritt. Die Behörden von Hongkong ordneten die Tötung des gesamten Hausgeflügels an (1,5 Millionen Vögel) und schlossen die Geflügelmärkte. Damit war das Problem kurzfristig behoben. Eine Zeit lang gab es weder in

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