Spillover
Coronaviren einschließlich des Erregers, der später als SARS - C o V bekannt wurde. Burkes drittes Kriterium war eine »innere Evolutionsfähigkeit«; damit meint er die Bereitschaft, zu mutieren und zu rekombinieren (oder sich neu zu ordnen), die »einem Virus das Potenzial verleiht, in Menschenpopulationen aufzutauchen und Epidemien zu verursachen«. Als Beispiele nannte er wiederum die Retroviren, die Orthomyxoviren und die Coronaviren. »Manche dieser Viren«, warnte Burke unter ausdrücklichem Hinweis auf die Coronaviren, »sollte man als ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit der Menschen betrachten. Diese Viren besitzen eine hohe Evolutionsfähigkeit und sind nachgewiesenermaßen in der Lage, Epidemien in Tierbeständen zu verursachen.« Interessant ist im Rückblick die Feststellung, dass er damit die SARS -Epidemie schon sechs Jahre vor ihrem Auftreten prophezeit hat.
Viel später sagt Burke zu mir: »Da habe ich einfach richtig geraten.« Er lacht selbstironisch und fügt dann hinzu, Vorhersage sei ein »viel zu starkes Wort« für seine damalige Aussage.
Wenn man einem Menschen in solchen Fragen vertrauen kann, dann Donald Burke. Aber auch wenn es schwierig ist, exakte Vorhersagen zu machen, müssen wir im Hinblick auf neue oder wieder auftauchende zoonotische Krankheiten nicht blind, unvorbereitet und fatalistisch bleiben. Nein. Die praktische Alternative zur Wahrsagerei ist »eine Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlagen, um besser vorbereitet zu sein«, wie Burke es formuliert. Mit »wissenschaftliche Grundlagen« meint er Kenntnisse darüber, welche Virusgruppen man im Auge behalten muss, die Fähigkeit, einen Übersprung auch in abgelegenen Gegenden durch Feldforschung nachzuweisen, bevor er zu einer regionalen Epidemie wird, die organisatorischen Voraussetzungen zur Bekämpfung von Epidemien, bevor sie zu Pandemien werden, und im Labor die Hilfsmittel und Fähigkeiten, um bekannte Viren schnell zu erkennen, neue Viren nahezu ebenso schnell zu charakterisieren und ohne große Verzögerung Impfstoffe und Therapieverfahren zu entwickeln. Wenn wir eine bevorstehende Influenza-Pandemie oder ein anderes neu auftauchendes Virus nicht vorhersagen können, so können wir doch wenigstens wachsam bleiben. Wir können uns vorbereiten und im Fall der Fälle schnell reagieren und auf Fachwissen und hoch entwickelte Technik zurückgreifen.
Das tut bereits eine ganze Reihe weitsichtiger Institutionen und Einzelpersonen in Forschung und Gesundheitswesen. Ehrgeizige Netzwerke und Programme schufen unter anderem die Weltgesundheitsorganisation, die Centers for Disease Control and Prevention, die United States Agency for International Development, die European Centers for Disease Prevention and Control, die World Organization for Animal Health sowie andere nationale und internationale Einrichtungen, die sich mit der Gefahr neu auftauchender zoonotischer Erkrankungen beschäftigen. Und wegen der Besorgnis über möglichen »Bioterrorismus« haben sogar das US -Heimatschutzministerium und Einrichtungen des US -Verteidigungsministeriums ihre Hände im Spiel. Auch private Organisationen wie EcoHealth Alliance, die von dem früheren Parasitenforscher Peter Daszak geleitet wird, haben sich des Problems angenommen. In den Diensten von EcoHealth stehen heute beispielsweise Jon Epstein mit seiner Nipah-Forschung in Bangladesch und anderen Ländern, Aleksei Chmura, der Fledertiere in China erforscht, oder Billy Karesh mit seinen laufenden Studien zur Gesundheit wilder Tiere rund um die Welt und viele andere. Ein faszinierendes Projekt namens Global Viral Forecasting Initiative (»Globales Virenwarnsystem«, abgekürzt GVFI ) wird teilweise von Google finanziert und wurde von einem unternehmungslustigen Wissenschaftler namens Nathan Wolfe ins Leben gerufen, der unter anderem bei Don Burke studiert hat. GVFI sammelt auf kleinen Filterpapierstücken die Blutproben von Buschfleischjägern und anderen Menschen aus dem gesamten tropischen Afrika und Asien. In diesen Proben suchen die Wissenschaftler systematisch nach neuen Viren, um so Übersprungereignisse nachzuweisen und die nächste Pandemie aufzuhalten, bevor sie sich ausbreitet. Das Filterpapierverfahren lernte Wolfe bei Balbir Singh und Janet Cox-Singh (den Malariaforschern, die sich mit Plasmodium knowlesi in Menschen beschäftigen), als er sich in den 1990er Jahren als Doktorand an Feldstudien der beiden beteiligte. Das Institut von Ian Lipkin an der zur Columbia
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