Spillover
erschwert, dass die Krankheit bei Menschen immer nur vorübergehend auftritt. Anschließend ist sie wieder jahrelang verschwunden. Für die öffentliche Gesundheit ist das ein Segen, für die Wissenschaft stellt es aber ein Hindernis dar. Virusökologen können überall, in jedem afrikanischen Wald und bei jedem Vertreter jeder biologischen Art nach Ebola suchen, aber der Heuhaufen ist groß, und die Virus-Nadel ist sehr klein. Die räumlich und zeitlich vielversprechendste Suche kann man immer dann unternehmen, wenn Menschen an der Ebola-Viruserkrankung sterben. Und während eines langen Zwischenspiels starb niemand daran – jedenfalls niemand, dessen Tod den Gesundheitsbehörden zur Kenntnis gebracht wurde.
Nach der Epidemie in Yambuku 1976 und zwei kleineren Episoden in Zaire und im Sudan zwischen 1977 und 1979 ließen sich die Ebolaviren rund 15 Jahre lang nahezu nirgendwo in Afrika blicken. Im Rückblick kann man vermuten, dass es Anfang der 1980er Jahre einige vereinzelte Fälle gab, aber kein einziges Mal machte eine bestätigte Epidemie einen Einsatz eines Krisenteams notwendig; und in allen diesen kleineren Fällen lief die Ansteckungskette sich offenbar von selbst tot. Dieses Totlaufen ist für die Kenntnisse über tödliche, mäßig ansteckende Krankheitserreger von besonderer Bedeutung. Es bedeutet, dass einige Personen gestorben sind, dass einige weitere sich angesteckt haben und zum Teil ebenfalls sterben, dass alle anderen sich aber erholen und der Erreger sich nicht weiter fortpflanzt. Die Episode ging von selbst zu Ende, bevor die Krisenteams der WHO , der CDC und anderer fachkundiger Einrichtungen zu Hilfe geholt werden mussten. Dann, nach einer längeren Pause, kehrte der Erreger wieder – mit den Ausbrüchen in Mayibout 2 und anderen Orten in Gabun, und – noch beunruhigender – an einem Ort namens Kikwit.
Kikwit liegt in der Demokratischen Republik Kongo (damals Zaire), rund 500 Kilometer östlich von Kinshasa. Von Yambuku, Mayibout 2 und dem Holzfällerlager in der Nähe von Booué unterscheidet es sich in einem wesentlichen Punkt: Es ist eine Stadt von 200000 Einwohnern. Es gibt dort mehrere Krankenhäuser, und der Ort ist mit der übrigen Welt viel enger verbunden als die anderen Ausgangspunkte von Epidemien. Aber wie sie ist Kikwit von Wald umgeben.
Der erste nachgewiesene Krankheitsfall in Kikwit war ein Mann von 42 Jahren, der im Wald oder in Waldnähe gearbeitet hatte. Er bestellte mehrere gerodete Landstücke, wo er Mais und Maniok anbaute; außerdem stellte er Holzkohle her, und das alles an einer Stelle rund acht Kilometer südöstlich der Stadt. Der Mann erkrankte am 6. Januar 1995 und starb eine Woche später am hämorrhagischen Fieber.
Zuvor hatte er bereits mindestens drei Angehörige unmittelbar angesteckt, die alle starben, und die Infektion auch in seinem Bekanntenkreis weitergegeben – dort kamen im Laufe der folgenden Wochen zehn weitere Personen ums Leben. Einige dieser Kontaktpersonen trugen das Virus offenbar in die Geburtsklinik der Stadt, wo sich ein technischer Assistent ansteckte, und von dort gelangte der Erreger in das allgemeine Krankenhaus von Kikwit. Dort steckte der Assistent während seiner Behandlung mehrere Ärzte und Krankenschwestern an, die ihn operierten (sie hatten den Verdacht auf Typhus und einen Darmdurchbruch, deshalb öffneten sie die Bauchhöhle), außerdem auch zwei italienische Nonnen, die bei seiner Pflege halfen. Der Assistent starb, die Nonnen starben, und Beamte aus der Gegend vermuteten, es könne sich um eine Ruhrepidemie handeln – eine Fehldiagnose, die es dem Virus ermöglichte, sich unter Patienten und Mitarbeitern anderer Krankenhäuser in der Region Kikwit weiterzuverbreiten.
Mit der Hypothese, es handele sich um Ruhr, waren nicht alle einverstanden. Ein Arzt des Gesundheitsministeriums hielt es für ein virales hämorrhagisches Fieber, und das ließ auf Ebola schließen. Diese Vermutung wurde sehr schnell mithilfe von Blutproben bestätigt, die am 9. Mai bei den CDC in Atlanta eintrafen. Es handelte sich tatsächlich um Ebolaviren. Als die Epidemie im August zu Ende ging, waren 245 Menschen gestorben, darunter 60 Krankenhausmitarbeiter.
Währenddessen machte sich ein weiteres internationales Team auf die Suche nach dem Reservoir, und Anfang Juni kamen die Wissenschaftler auch nach Kikwit. Die Gruppe bestand aus Vertretern der CDC , einer Universität in Zaire, dem US Army Medical Research Institute of Infectious Diseases (
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