Spillover
neckt oder er etwas lustig findet. Ondzie hatte vor allem die Aufgabe, überall im Land den Berichten über tote Schimpansen oder Gorillas nachzugehen, sich so schnell wie möglich an den betreffenden Ort zu begeben und Gewebeproben zu entnehmen, die man auf das Ebolavirus testen wollte.
Macht die Arbeit Ihnen Angst?, will ich von Ondzie wissen. Heute nicht mehr, erwidert er. Und warum machen Sie das? Tja, das ist eine gute Frage, sagt er mit seiner typischen Kopfbewegung und dem charakteristischen Kichern. Dann fügt er ernster hinzu: Vielleicht weil ich das anwenden kann, was ich gelernt habe, weil ich weiter lernen kann und weil es möglicherweise Menschenleben rettet.
Ein weiteres Mitglied des Teams war Patricia (Trisha) Reed. Sie war 15 Jahre zuvor als Biologin nach Afrika gekommen, hatte das Lassafieber und später AIDS untersucht, eine Stelle beim CIRMF in Franceville bekommen, in Äthiopien Felderfahrungen gesammelt und dann an der tiermedizinischen Fakultät der Tufts University in Boston ihren Doktor gemacht. Jetzt war sie wieder am CIRMF und betrieb gerade Forschungsarbeiten an einem Affenvirus, als ihr Karesh die Stelle in seinem Team anbot.
Wie Reed mir erklärte, umfasste ihr Arbeitsbereich ein ganzes Spektrum von Infektionskrankheiten, die eine Bedrohung für die Gesundheit der Gorillas darstellen; Ebola ist unter ihnen nur die exotischste. Bei den anderen handelte es sich im Wesentlichen um Krankheiten des Menschen, die eher konventionell anmuten. Dass Gorillas für sie anfällig sind, liegt an ihrer engen genetischen Verwandtschaft mit uns: Tuberkulose, Kinderlähmung, Masern, Lungenentzündung, Windpocken und so weiter. Mit solchen Infektionen können Gorillas überall da in Berührung kommen, wo kranke Menschen im Wald gehen, husten, niesen oder ihre Exkremente hinterlassen. Ein solcher Übersprung in der umgekehrten Richtung – von Menschen auf andere Tierarten – wird als »Anthroponose« bezeichnet. Die berühmten Berggorillas beispielsweise sind von anthroponotischen Infektionen wie den Masern bedroht, die von affenbegeisterten Ökotouristen mitgebracht werden. Die Berggorillas sind eine stark gefährdete Unterart des Östlichen Gorillas; ihr Verbreitungsgebiet beschränkt sich auf die steilen Hänge der Virunga-Vulkane in Ruanda und ihre Nachbargebiete. Der Westliche Gorilla dagegen lebt ausschließlich in den Niederungen der zentralafrikanischen Wälder, er ist häufiger, aber dennoch alles andere als ungefährdet. In Verbindung mit der Zerstörung ihrer Lebensräume durch Holzgewinnung und der Jagd nach Buschfleisch, das in der Gegend verzehrt oder auf Märkten verkauft wird, könnten Infektionskrankheiten auch die Westlichen Gorillas trotz ihrer derzeit noch relativ großen Zahl (insgesamt vielleicht 100000) an den Rand des Aussterbens bringen.
Verglichen mit den kleinen Berghängen von Virunga, auf denen die Berggorillas zu Hause sind, sind die Wälder Zentralafrikas aber immer noch relativ groß; außerdem haben es die Westlichen Gorillas in ihrer unwirtlichen, nahezu undurchdringlichen Heimat so gut wie nicht mit Ökotouristen zu tun. Deshalb sind Masern und Tuberkulose nicht ihre schlimmsten Probleme. »Ich würde sagen: Ebola ist zweifellos die größte Gefahr für die westliche Unterart«, sagt Reed. Dass Ebola bei den Gorillas so große Schwierigkeiten bereitet, liegt nach ihren Worten nicht nur an der Gefährlichkeit des Erregers, sondern auch am Datenmangel. »Wir wissen nicht, ob es das Virus hier früher schon gab. Wir wissen nicht, ob sie es überleben können. Aber wir müssen wissen, wie es in den Gruppen weitergegeben wird. Wir müssen wissen, wo es eigentlich ist.« Die Frage nach dem Wo hat zwei Dimensionen. Wie weit ist das Ebolavirus in Zentralafrika verbreitet? Und in welchen Reservoirwirten lauert es?
Am achten Tag packen wir unsere Sachen, beladen die Boote wieder und fahren auf dem Mambili stromabwärts; im Gepäck haben wir keine einzige Blutprobe, die zum Datenbestand beitragen könnte. Unsere Mission war genau durch den Faktor vereitelt worden, der ihr eine so große Bedeutung gegeben hatte: die auffällige Abwesenheit von Gorillas. Es war wieder die merkwürdige Geschichte mit dem Hund in der Nacht. Billy Karesh hatte einen Gorilla aus der Nähe gesehen, ohne ihn aber betäuben zu können, und zwei andere hatte er mithilfe von Prosper Balos scharfem Blick für Fährten verfolgt. Die übrigen aber, die vielen Dutzend, die früher auf die Lichtungen gekommen
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