Spillover
seinerseits zwei Vermutungen nahe: Entweder ist der Reservoirwirt selbst ein seltenes Tier, oder er ist ein Tier, das nur selten mit Menschen in Kontakt kommt.
Mehr konnte das Team von Kikwit nicht sagen. Die Wissenschaftler veröffentlichten 1999 ihren Fachartikel (zusammen mit einer ganzen Reihe von Berichten über Ebola) in einer Sonderausgabe des Journal of Infectious Diseases und dokumentierten darin mit guter Begründung ihre negative Schlussfolgerung. Nach 23 Jahren hatte man den Reservoirwirt immer noch nicht gefunden.
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Ebola mal vier
»Wir müssen herausfinden, wo es ist«, hatte Trish Reed gesagt. Damit spielte sie auf die beiden unbeantworteten Fragen nach dem Ebolavirus und seinem Aufenthaltsort an. Die erste Frage ist ökologischer Natur: In welchen Lebewesen versteckt es sich? Welches Tier ist der Reservoirwirt? Die zweite betrifft die Geographie: Wie verteilt sich der Erreger in der afrikanischen Landschaft? Diese Frage lässt sich wahrscheinlich nicht beantworten, solange man den Reservoirwirt nicht identifiziert und dessen Verbreitung ausfindig gemacht hat. Vorerst sind die einzigen Daten, in denen sich der Aufenthaltsort des Ebolavirus widerspiegelt, die in einer Landkarte eingetragenen Orte der Epidemien unter Menschen.
Sehen wir uns diese Landkarte einmal etwas genauer an. Seinen ersten Auftritt hatte das Ebolavirus 1976 mit den bereits erwähnten dramatischen Ereignissen in Yambuku und der geringfügig kleineren Krise im Südwesten des Sudans, bei der aber immerhin auch 151 Menschen ums Leben kamen. Die Epidemie im Sudan hatte ihr Zentrum in einer Ortschaft nicht weit von der Grenze zu Zaire 800 Kilometer nordöstlich von Yambuku. Sie begann unter den Mitarbeitern einer Baumwollfabrik, in der Ratten über die Fußböden huschten und Fledermäuse unter den Dachsparren hingen. Die Sterblichkeit war geringer als in Zaire: Sie lag »nur« bei 53 Prozent. Wie sich in der Laboranalyse zeigte, unterschied sich das sudanesische Virus von seinem Gegenstück in Zaire so stark, dass man es als eigene Spezies einstufte. Diese erhielt von Systematikern später die präzise Bezeichnung Sudan-Ebolavirus ; umgangssprachlich geht es oft einfach als »Sudanvirus« durch. Die Form, die Karl Johnson in Yambuku entdeckte, wurde ursprünglich »Ebolavirus« genannt, dieser Name hat sich bis heute gehalten, doch genau genommen handelt es sich um die Spezies Zaire-Ebolavirus . Das mag sich verwirrend anhören, aber die exakten Benennungen sind wichtig, wenn man die Übersicht behalten will. Am Ende unterschied man zwischen fünf verschiedenen Arten.
Im Jahr 1977 starb ein kleines Mädchen in einem Missionshospital in dem Dorf Tandala im Nordwesten von Zaire am hämorrhagischen Fieber. Eine Blutprobe, die man ihr nach ihrem Tod entnommen und an die CDC geschickt hatte, enthielt Ebolaviren vom Zaire-Typ, die man aber nicht in Zellkulturen nachweisen konnte, sondern erst nachdem man lebende Meerschweinchen infiziert hatte: Das Virus vermehrte sich in ihren Organen. Auch dieses Mal arbeitete Karl Johnson im Labor mit; es war die logische Fortführung seiner Arbeiten während der ersten Epidemie, die sich nur ein Jahr früher und 300 Kilometer weiter östlich abgespielt hatte. Aber das Mädchen aus Tandala war ein Einzelfall. Ihre Angehörigen und Freunde waren nicht infiziert. Zu der Frage, wie sie erkrankt war, gab es nicht einmal eine Hypothese. Der Bericht, der später erschien, stellte in der Beschreibung der Heimatregion des Mädchens nur viel sagend fest: »Hier besteht ein enger Kontakt zur Natur, denn die Dörfer liegen in gerodeten Gebieten, umgeben von dichtem Regenwald, oder entlang der Flüsse in der Savanne.« 11
Zwei Jahre später tauchte auch das Sudanvirus wieder auf: Es infizierte einen Arbeiter in derselben Baumwollfabrik, in der es sich auch beim ersten Mal gezeigt hatte. Der Arbeiter kam ins Krankenhaus, steckte dort einen anderen Patienten an, und als das Virus seinen Schreckenszug durch die Klinik beendet hatte, waren 22 Menschen tot. Die Sterblichkeit war mit 65 Prozent wiederum hoch, aber niedriger als beim Zaire-Typ. Es schien, als sei das Sudanvirus nicht ganz so tödlich.
Anschließend verging ein Jahrzehnt, bevor die Filoviren ihren nächsten Auftritt hatten, dieses Mal in einer anderen Form und an einem unerwarteten Ort: der Kleinstadt Reston in Virginia. Dieses Ereignis kennt jeder, der Hot Zone gelesen hat, Richard Prestons Buch über eine Epidemie ebolaartiger Viren unter
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