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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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wurmförmigen Viren Ebola und Marburg einer neuen Virusfamilie zugeordnet: den Filoviridae oder Filoviren (»Fadenviren«).
    Die Kommission wusste, dass der neue Erreger, das Ebolavirus, in irgendwelchen Tieren hausen musste, in denen es weniger zerstörerisch wirkte und sich dauerhaft aufhalten konnte. Die Frage nach dem Reservoirwirt war aber weniger drängend als andere, beispielsweise die, wie man die Ansteckungskette von Mensch zu Mensch unterbrechen, die Patienten am Leben erhalten und die Epidemie beenden kann. »Ökologische Untersuchungen wurden nur in begrenztem Umfang angestellt«, berichtete das Team später, 8 und die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren ausschließlich negativ. Nirgendwo mit Ausnahme der Menschen fand man Spuren des Ebolavirus. Im Rückblick sind diese negativen Befunde aber interessant, denn zumindest zeigen sie, wo die Wissenschaftler als Erstes gesucht hatten. Sie zerhackten 818 Bettwanzen aus betroffenen Dörfern, fanden aber in keiner einzigen das Virus. Sie untersuchten Stechmücken. Nichts. Sie nahmen zehn Schweinen und einer Kuh Blut ab – alle Proben erwiesen sich als ebolafrei. Sie fingen 123 Nagetiere, darunter 69 Mäuse, 30 Ratten und acht Eichhörnchen; keines der Tiere war ein Virusträger. Sie untersuchten die Eingeweide von sechs Affen, zwei Duckerantilopen und sieben Fledermäusen. Alle diese Tiere waren sauber.
    Die Mitglieder der Internationalen Kommission waren aufgrund dessen, was sie gesehen hatten, in gedrückter Stimmung. »Eine dramatischere oder potenziell gefährlichere Epidemie einer neuen, akuten Viruskrankheit hat es in der Welt während der letzten dreißig Jahre nicht gegeben«, warnten sie in ihrem Bericht. 9 Die Sterblichkeit von 88 Prozent der Betroffenen, so stellten sie fest, war höher als die jeder anderen bekannten Krankheit mit Ausnahme der Tollwut (bei der sie fast 100 Prozent beträgt, wenn die Patienten nicht vor Auftreten der ersten Symptome behandelt werden). Den Behörden in Zaire gab die Kommission sechs dringende Empfehlungen, darunter gesundheitliche Maßnahmen auf lokaler Ebene und eine landesweite Überwachung. Die Identifikation des Reservoirs von Ebola wurde aber nicht erwähnt. Das war eine wissenschaftliche Frage, und die war ein wenig abstrakter als die Handlungsempfehlungen für die Regierung von Präsident Mobutu. Sie würde warten müssen.
    Das Warten dauert bis heute.
    Drei Jahre nach den Vorgängen in Yambuku wussten Karl Johnson und die anderen Mitglieder der Kommission immer noch nicht mehr über die Frage nach dem Reservoir. Sie entschlossen sich, es noch einmal zu versuchen. Da sie nicht über die Mittel verfügten, um eine Expedition ausschließlich zur Suche nach dem Versteck von Ebola zu unternehmen, hängten sie sich mit ihrem Projekt an ein laufendes Forschungsprogramm über Affenpocken in Zaire an, das von der Weltgesundheitsorganisation koordiniert wurde. Die Affenpocken sind eine schwere Krankheit, die allerdings nicht so dramatisch verläuft wie eine Ebola-Infektion; ihr Erreger ist ebenfalls ein Virus, das sich in einem oder mehreren damals noch nicht identifizierten Reservoirwirten versteckt. Deshalb schien es nur natürlich und wirtschaftlich, eine gemeinsame Suche zu betreiben und zweierlei analytische Hilfsmittel auf die einmal gewonnenen Proben anzuwenden. Wieder sammelte die Mannschaft in der Region Bumba, aber auch in anderen Gebieten im Norden Zaires und im südöstlichen Kamerun Tiere aus Dörfern und den umgebenden Wäldern. Mit Fallen und durch Jagd, aber auch mit Belohnungen, die sie den Dorfbewohnern für lebend abgelieferte Tiere bezahlten, konnten sie am Ende mehr als 1500 Tiere einsammeln, die zu 117 biologischen Arten gehörten. Darunter waren Tieraffen, Ratten, Mäuse, Fledermäuse, Mangusten, Eichhörnchen, Schuppentiere, Spitzmäuse, Stachelschweine, Duckerantilopen, Vögel, Schildkröten und Schlangen. Ihnen allen entnahmen die Wissenschaftler Blut sowie kleine Stücke von Leber, Nieren und Milz. Sämtliche Proben wurden in einzelnen Gefäßen tiefgefroren und zur Analyse an die CDC geschickt. Konnte man aus einer der Proben lebende Viren heranzüchten? Waren im Blutserum Antikörper gegen Ebola nachzuweisen? Das Endergebnis, das Johnson und seine Coautoren in der Fachzeitschrift Journal of Infectious Diseases mitteilten, lautete: »Es wurden keine Anhaltspunkte für eine Infektion mit Ebolaviren gefunden.« 10
    Eine zielgerichtete Suche nach dem Ebola-Reservoir wird unter anderem dadurch

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