Spillover
USAMRIID , ein früheres Labor für biologische Waffen, das sich jetzt der Erforschung von Krankheiten und der Abwehr biologischer Waffen widmet) in Maryland, und einem Wissenschaftler des Danish Pest Infestation Laboratory, der vermutlich viel über Nagetiere wusste. Sie begannen mit ihren Arbeiten an der Stelle, an der die größte Aussicht bestand, den Übersprung nachzuvollziehen – das heißt, südöstlich der Stadt an den Holzkohlemeilern und Feldern des ersten Opfers. Dort und an anderen Stellen fingen sie im Laufe von drei Monaten Tausende von Tieren mit Fallen und Netzen. In der Mehrzahl handelte es sich um kleine Säugetiere und Vögel, aber auch ein paar Reptilien und Amphibien waren darunter. Alle Fallen wurden im Wald oder in der Savanne außerhalb der Stadtgrenzen aufgestellt. In Kikwit selbst fing das Team an einer Station der Herz-Jesu-Missionare mehrere Fledermäuse. Jedes eingefangene Tier wurde getötet, dann nahmen sie Blut ab und entnahmen die Milz (sowie in einigen Fällen auch andere Organe wie Leber oder Nieren), die dann eingefroren wurde. Weitere Blutproben entnahmen sie Hunden, Kühen und Affen, die als Haustiere gehalten wurden. Insgesamt bestand die Ausbeute aus 3066 Blutproben und 2730 Milzen, die alle zur Analyse an die CDC geschickt wurden. Die Blutproben wurden bestrahlt, um Viren abzutöten, dann untersuchte man sie mit den besten molekularbiologischen Methoden jener Zeit auf Antikörper gegen das Ebolavirus. Die Milzen wurden in ein biologisches Sicherheitslabor der Stufe 4 (B4) gebracht, eine neue Einrichtung, die nach Karl Johnsons ersten Arbeiten errichtet worden war und bei deren Entwurf er Pionierarbeit geleistet hatte. Dort gab es mehrere luftdichte Schleusen, raffinierte Filter- und Unterdrucksysteme sowie Schutzanzüge für das Personal – eine Sicherheitszone, in der man das Ebolavirus (theoretisch) handhaben konnte, ohne dass die Gefahr einer versehentlichen Freisetzung bestand. Ob irgendeine dieser Milzen aus Zaire das Virus enthielt, wusste niemand, aber man musste sie grundsätzlich so behandeln, als wäre es der Fall. Das Gewebematerial wurde fein zerkleinert und Zellkulturen zugesetzt; auf diese Weise wollte man das Virus heranzüchten.
Nirgendwo wuchs etwas. Die Zellkulturen lebten fröhlich und unbeeinträchtigt von Viren weiter. Auch die Antikörpertests ergaben keine positiven Befunde. Wieder einmal war das Ebolavirus übergesprungen und hatte Chaos angerichtet, um dann wieder zu verschwinden, ohne sich irgendwo anders als in den kranken und sterbenden Menschen bemerkbar zu machen. Es war wie Zorro oder Jack the Ripper – gefährlich, unsichtbar, verschwunden.
Dennoch sollte man das dreimonatige Projekt der großen Arbeitsgruppe in Kikwit nicht als völligen Fehlschlag einstufen; selbst negative Befunde aus einer gut angelegten Studie grenzen in der Regel das Spektrum der Möglichkeiten ein. Aber wieder einmal war ein mit viel Engagement durchgeführter Versuch enttäuschend zu Ende gegangen. Vielleicht war das Team zu spät nach Kikwit gekommen – seit der Erkrankung des Kleinbauern waren schon fünf Monate vergangen. Vielleicht hatte der Wechsel von der Regen- zur Trockenzeit die Reservoirwirte – welche es auch sein mochten – dazu veranlasst, weiterzuziehen, sich zu verstecken oder an Häufigkeit abzunehmen. Vielleicht war das Virus selbst bis auf eine kleine Population dezimiert worden, einen winzigen Rest, der selbst in seinem Reservoirwirt während der Ruhezeit nicht mehr nachzuweisen war. Das Team von Kikwit wusste es nicht. Der bemerkenswerteste Aspekt seines Abschlussberichts war neben der langen Liste der Tiere, die keine Ebolaviren enthielten, eine klare Aussage über drei Grundannahmen, von denen die Wissenschaftler sich bei ihren Arbeiten hatten leiten lassen.
Erstens vermuteten sie (aufgrund früherer Studien), dass es sich bei dem Reservoirwirt um ein Säugetier handelte. Zweitens stellten sie fest, dass Ebola-Epidemien in Afrika immer in der Nähe von Wäldern stattgefunden hatten. Man konnte deshalb mit ziemlicher Sicherheit annehmen, dass der Reservoirwirt ein Waldbewohner war. Drittens stellten sie fest, dass sich Ebola-Epidemien vereinzelt und in großen zeitlichen Abständen ereignen – zwischen einer Episode und der nächsten liegen manchmal mehrere Jahre. Diese Abstände lassen darauf schließen, dass eine Infektion, die vom Reservoirwirt auf den Menschen übergeht, ein seltenes Ereignis ist. Ein derart seltenes Überspringen legt
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