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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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waren, hatten sich entweder in unbekannte Regionen verteilt oder sie waren … tot? Jedenfalls hatte es hier früher viele Gorillas gegeben, und jetzt waren sie weg.
    Das Virus schien auch weg zu sein. Aber wir wussten, dass es sich nur versteckte.
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    Tödliche Fäden
    Aber wo versteckte es sich? Die Frage, welches Tier als Reservoirwirt von Ebola dient, ist seit fast 40 Jahren eines der dunkelsten kleinen Geheimnisse in der Welt der Infektionskrankheiten. Dieses Geheimnis und die Bemühungen, es zu lüften, gehen bis auf das erste nachgewiesene Auftauchen der Ebola-Viruserkrankung im Jahr 1976 zurück.
    In jenem Jahr gab es in Afrika zwei Ausbrüche, die sich unabhängig voneinander, aber fast gleichzeitig ereigneten: den einen im Norden von Zaire (heute Demokratische Republik Kongo), den anderen im südwestlichen Sudan (einem Gebiet, das heute in der Republik Südsudan liegt). Die beiden Regionen sind rund 500 Kilometer voneinander entfernt. Im Sudan begann die Epidemie zwar ein wenig früher, das Ereignis in Zaire wurde aber bekannter, unter anderem weil ein kleines Flüsschen, der Ebola, dem Virus schließlich seinen Namen gab.
    Ausgangspunkt des Ausbruchs in Zaire war ein kleines katholisches Missionskrankenhaus in einem Dorf namens Yambuku, das im Gebiet von Bumba liegt. Mitte September berichtete ein einheimischer Arzt dort über zwei Dutzend Fälle einer dramatisch verlaufenden neuen Krankheit. Es handelte sich nicht um das übliche Malariafieber, sondern es war viel schrecklicher und viel blutiger: blutiges Erbrechen, Nasenbluten und blutiger Durchfall. Als der Arzt per Telegramm die Behörden in der zairischen Hauptstadt Kinshasa alarmierte, waren bereits 14 Patienten gestorben, mehrere weitere schwebten in Lebensgefahr. Anfang Oktober wurde das Missionskrankenhaus von Yambuku geschlossen, und das aus einem grausigen Grund: Die meisten Mitarbeiter waren tot. Mehrere Wochen später traf ein internationales Wissenschaftler- und Ärzteteam unter Leitung des zairischen Gesundheitsministers in der Region ein, sein Auftrag: die unbekannte Krankheit schnell zu untersuchen und Empfehlungen für ihre Bekämpfung zu geben. Die Mitglieder der Gruppe kamen aus Frankreich, Belgien, Kanada, Zaire, Südafrika und den Vereinigten Staaten, darunter neun Experten der CDC in Atlanta. Das Team wurde später als Internationale Kommission bekannt; es stand unter der Leitung von Karl Johnson, demselben amerikanischen Arzt und Virusforscher, der schon 1963 in Bolivien am Machupo-Virus gearbeitet und selbst nur knapp eine Infektion mit dem Erreger überlebt hatte. Jetzt, 13 Jahre später, war er immer noch energisch, engagiert und weder durch sein Nahtoderlebnis noch durch seinen beruflichen Aufstieg merklich abgeklärter geworden: An den CDC leitete er die Abteilung für besondere Krankheitserreger.
    Zur Lösung der Machupo-Krise hatte Johnson beigetragen, indem er seine Aufmerksamkeit auf die ökologische Dimension richtete – das heißt auf die Frage, wo das Virus lebte, wenn es nicht gerade bolivianische Dorfbewohner tötete. Die Frage nach dem Reservoir hatte sich in diesem Fall als lösbar erwiesen und wurde schnell beantwortet: Eine einheimische Mäuseart trug das Machupo-Virus in die Haushalte und Getreidespeicher der Menschen. Nachdem man die Mäuse mit Fallen wirksam bekämpft hatte, war die Epidemie zu Ende. Jetzt, in den verzweifelten, chaotischen Oktober- und Novembertagen 1976 im nördlichen Zaire, standen die Wissenschaftler vor einem anderen unsichtbaren, nicht identifizierten Erreger, und die Zahl der Opfer wuchs in die Hunderte; dennoch kamen Johnson und seine Wissenschaftlerkollegen nicht umhin, die gleiche Frage zu stellen wie zuvor beim Machupo-Virus: Woher kam das Ding?
    Dass es sich um ein Virus handelte, wussten sie zu jener Zeit bereits. Der Befund stammte aus Analysen, die man in Übersee, unter anderem auch an den CDC , sehr schnell an klinischem Material vorgenommen hatte. (Bevor Johnson nach Zaire geflogen war, hatte er an den CDC selbst die Arbeiten zur Isolation des Erregers geleitet.) Sie wussten, dass es dem Marburgvirus ähnelte, einem anderen tödlichen Erreger, den man neun Jahre zuvor identifiziert hatte; auf den elektronenmikroskopischen Aufnahmen sah es fadenförmig und gewunden aus wie ein Würmchen. Wie die Laboruntersuchungen aber auch zeigten, unterschied sich das Ebolavirus so stark von dem Marburg-Erreger, dass man es als neuen Typ bezeichnen musste. Am Ende wurden die beiden

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