Spillover
ebolaartigen Erregern, aber das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Während der Nekropsie infizierte sich eine 34-jährige Schweizer Doktorandin, die zwar Handschuhe getragen hatte, aber keinen Kittel und keine Gesichtsmaske. Es ist absolut unklar, wie sie sich angesteckt hat. Ein schicksalhafter Kontakt war nicht zu erkennen – kein ausgerutschtes Skalpell, kein Missgeschick mit einer Kanüle. Vielleicht war Schimpansenblut auf eine Hautverletzung gelangt, oder sie hatte sich ein paar Tropfen ins Gesicht gespritzt.
Acht Tage später bekam die Frau Schüttelfrost. Sie nahm Malariamedikamente, aber die halfen nicht. Daraufhin wurde sie in eine Klinik in Abijan verlegt, der Hauptstadt von C Ô te d’Ivoire, wo man sie erneut gegen Malaria behandelte. Das Fieber blieb. Am fünften Tag kamen Erbrechen und Durchfall hinzu, außerdem ein Ausschlag, der sich über den ganzen Körper ausbreitete. Am siebten Tag brachte man sie an Bord eines Ambulanzflugzeuges, und sie wurde in die Schweiz geflogen. Jetzt trug sie eine Gesichtsmaske, ebenso der Arzt und die Krankenschwester, die sie begleiteten. Aber woran sie eigentlich litt, wusste immer noch niemand. Man dachte an das Denguefieber, eine Hantavirus-Infektion oder Typhus, und auch Malaria war immer noch nicht ausgeschlossen. (Ebola stand auf der Liste nicht sehr weit oben, weil das Virus in C Ô te d’Ivoire noch nie in Erscheinung getreten war.) In der Schweiz, wo man sie in eine Isolierstation mit Schleuse und Unterdruck gebracht hatte, testete man ihr Blut auf eine ganze Reihe weiterer hässlicher Krankheiten, darunter Lassafieber, Krim-Kongo-Fieber, Chikungunyafieber, Gelbfieber, Marburgfieber und schlussendlich auch Ebola. Die letzte Möglichkeit wurde mit drei verschiedenen Tests untersucht, die jeweils spezifisch für Ebolaviren vom Zaire-, vom Sudan- und vom Reston-Typ waren. Keine positiven Ergebnisse. Die Antikörper, die für die Tests eingesetzt wurden, erkannten das Virus in ihrem Blut nicht.
Die medizinischen Detektive aus dem Labor blieben hartnäckig und stellten einen vierten, allgemeineren Test zusammen, der die gesamte Gruppe der Ebolaviren abdeckte. Als sie ihn auf das Serum der Patientin anwandten, erhielten sie ein positives Ergebnis: Antikörper gegen irgendein Ebolavirus waren also vorhanden. Damit wurde die Schweizerin zum weltweit ersten nachgewiesenen Opfer des C Ô te-d’Ivoire-Ebolavirus oder Ta ï -Forest-Virus, wie es später meist genannt wurde. Das zweite bekannt gewordene Opfer war der Schimpanse, den sie nekropsiert hatte – sein Gewebe wurde später ebenfalls untersucht.
Im Gegensatz zu dem Schimpansen blieb die Frau am Leben. Nach einer weiteren Woche konnte sie das Krankenhaus verlassen. Sie hatte mehr als zehn Kilo abgenommen, und später fielen ihr die Haare aus, aber ansonsten ging es ihr gut. Die Schweizerin war nicht nur der erste Fall einer Ta ï -Forest-Virus-Infektion, sie nahm auch noch eine andere Sonderstellung ein: Soweit man weiß, trug sie als Erste eine Ebolavirus-Infektion aus dem afrikanischen Kontinent hinaus. Und es besteht kein Grund zu der Annahme, dass sie die Letzte sein wird.
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Muster in Raum und Zeit
Die Übersprünge von Ebolaviren setzten sich während der gesamten 1990er Jahre und auch ins 21. Jahrhundert hinein fort. Sie fanden so vereinzelt und weit verstreut statt, dass sich Feldforschung schwierig gestaltete, gleichzeitig waren sie aber häufig genug, dass einige Wissenschaftler und Gesundheitsbehörden sie scharf im Auge behielten. Im Jahr 1995, nicht lange nach der Episode in C Ô te d’Ivoire, ereignete sich der bereits erwähnte Ausbruch in Kikwit. Sechs Monate danach begann die Epidemie in Mayibout 2 – auch davon war bereits die Rede. Das fragliche Ebolavirus gehörte zum Zaire-Typ, der unter allen Erregern der Gruppe am weitesten verbreitet zu sein scheint; er war es auch, der in dem Holzfällerlager bei Booué in Gabun zuschlug.
Im gleichen Jahr, 1996, gelangte das Restonvirus ein weiteres Mal mit einer Ladung Javaneraffen von den Philippinen in die Vereinigten Staaten. Die Tiere stammten von der gleichen Exportfirma bei Manila, die auch beim ersten Mal die kranken Affen nach Reston in Virginia geschickt hatte. Dieses Mal gingen sie an eine kommerzielle Quarantäneeinrichtung in Alice, nicht weit von der texanischen Stadt Corpus Christi. Ein Tier starb, und nachdem es sich im Test auf das Restonvirus als positiv erwiesen hatte, wurden 49 andere, die in demselben Raum
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