Spillover
an. Außerdem kann ein Mensch einen anderen durch direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder anderen Virusquellen anstecken. Die Ansteckungskette des Ebolavirus hat sich aber zumindest bisher nie über viele aufeinanderfolgende Fälle, große Entfernungen oder lange Zeiträume hinweg fortgesetzt. Wissenschaftler sprechen von einem »Fehlwirt« im Gegensatz zum »Reservoirwirt« und meinen damit, dass die Menschen für das Leben und die Abenteuer der Ebolaviren eine Sackgasse darstellen. Das Bild passt: Ausbrüche hatten immer nur einen begrenzten Umfang und gingen von selbst zu Ende; in jedem dieser Fälle geriet das Virus in eine Sackgasse und hinterließ keine Nachkommen. Das gilt natürlich nicht für die Gesamtpopulation des Virus in seinem Verbreitungsgebiet, sondern nur für die Abstammungslinie des Virus, die übergesprungen ist und damit alles auf eine Karte gesetzt hat – sie ist verschwunden. Sie ist ein Verlierer der Evolution. Sie hat es nicht geschafft, in einer menschlichen Population Fuß zu fassen und zu einer endemischen Krankheit zu werden. Sie hat keine Epidemie ausgelöst. Nach den bisherigen Erfahrungen zu urteilen, trifft dieses Muster auf Ebolaviren zu. Durch sorgfältiges medizinisches Vorgehen (beispielsweise Versorgung ohne unmittelbaren Kontakt auf Isolationsstationen, Gummihandschuhe, Kittel, Gesichtsmasken, Einmalkanülen und -spritzen) können sie in der Regel aufgehalten werden.
Das ist das übliche Vorgehen bei Fehlwirten – wenn alles normal läuft. Man muss jedoch bedenken, dass Zoonosen meist mit Ereignissen verbunden sind, die anders verlaufen als normal, das heißt, sie können ziemlich außergewöhnliche Folgen nach sich ziehen. Jeder Übersprung gleicht einem Lotterielos, das der Erreger kauft, und der Hauptgewinn ist ein neues, besseres Dasein. Auf lange Sicht bietet es die Chance, der Sackgasse zu entkommen und an Orte zu gelangen, an denen der Erreger bisher nicht wahr. Manchmal zieht der Lotterieteilnehmer den Hauptgewinn. Man denke nur an HIV.
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Ebola 5
Ende 2007 erschien ein fünftes Ebolavirus auf der Bildfläche, dieses Mal im Westen Ugandas. Am 5. November 2007 ging im Gesundheitsministerium des Landes ein Bericht über zwanzig rätselhafte Todesfälle ein, die sich in Bundibugyo ereignet hatten, einem abgelegenen Distrikt an der gebirgigen Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. Die zwanzig Menschen waren ganz plötzlich an einer akuten Infektion unbekannten Typs gestorben, und weitere waren gefährdet. Handelte es sich um ein Bakterium aus der Gruppe der Rickettsien, ähnlich dem Typhuserreger? Ein Ebolavirus war ebenfalls denkbar, galt aber anfangs als weniger wahrscheinlich, weil nur wenige Patienten an Blutungen gelitten hatten. Schnell sammelte man Blutproben und schickte sie per Luftfracht nach Atlanta zu den CDC . Dort testete man sie sowohl mit einem allgemeinen Verfahren, mit dem sich alle Ebolavirus-Typen nachweisen lassen, als auch mit spezifischen Tests für die bekannten vier Formen. Alle spezifischen Tests ergaben negative Befunde, die allgemeine Methode jedoch erbrachte einige positive Ergebnisse. Am 28. November wurden die ugandischen Behörden von den CDC informiert: Ja, es handelte sich um ein Ebolavirus, aber um eines, das wir noch nie gesehen haben.
Wie sich in weiteren Laboruntersuchungen herausstellte, unterschied sich das neue Virus genetisch zu mindestens 32 Prozent von den anderen vier Typen. Man nannte es Bundibugyo-Virus . Wenig später traf ein Krisenteam der CDC in Uganda ein, um an der Bekämpfung der Epidemie mitzuwirken. Wie es in solchen Fällen üblich ist, nahmen die Wissenschaftler zusammen mit den Vertretern der landeseigenen Gesundheitsbehörden drei Aufgaben wahr: Sie versorgten Patienten, bemühten sich, die weitere Ausbreitung der Krankheit zu verhindern, und untersuchten ihre Eigenschaften. Am Ende lautete die Bilanz: 116 infizierte Personen, von denen 39 gestorben waren.
Später veröffentlichte das Wissenschaftlerteam einen Fachartikel, mit dem die Entdeckung eines neuen Ebolavirus bekannt gegeben wurde. Der erste Autor des Artikels war Jonathan S. Towner, ein Virologe der CDC mit Erfahrung bei der Suche nach Reservoirwirten. Er hatte nicht nur die Arbeiten im Labor geleitet, sondern war auch selbst nach Uganda gereist und hatte eine Zeit lang mit dem dortigen Krisenteam zusammengearbeitet. Der Artikel von Towner enthielt in einer Nebenbemerkung eine interessante Aussage über die fünf Ebolaviren: »Die Viren
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