Spillover
untergebracht waren, vorsichtshalber getötet. (Die meisten davon erwiesen sich im Test nach dem Tod als negativ.) Auch zehn Mitarbeiter, die beim Entladen und der Handhabung der Affen geholfen hatten, wurden auf Infektionen untersucht und erwiesen sich ebenfalls als negativ.
Der nächste Ort in Afrika, an dem das Virus bekanntermaßen auftrat, lag in Uganda: In der Stadt Gulu im Norden des Landes begann im August 2000 ein Ausbruch des Sudanvirus. Der Norden Ugandas hat eine gemeinsame Grenze mit dem damaligen Süden des Sudans, und so war es nicht verwunderlich, dass der Erreger diese Grenze überschritt. Aber wie überwand er sie? Durch die Wanderung einzelner Exemplare des immer noch unbekannten Reservoirwirts oder durch die Gesamtverbreitung der fraglichen Spezies? Dieses Beispiel macht deutlich, warum es so wichtig ist, das Rätsel des Reservoirwirts zu lösen: Wenn man weiß, welche Tierart ein bestimmtes Virus beherbergt und wo diese Tierart lebt – und umgekehrt, wo sie nicht lebt –, weiß man auch, wo das Virus das nächste Mal überspringen könnte beziehungsweise wo es dies vermutlich nicht tun wird. Damit hat man einen gewissen Anhaltspunkt und kann die Aufmerksamkeit entsprechend ausrichten. Handelt es sich bei dem Reservoirwirt um ein Nagetier, das in den Wäldern im Südwesten des Sudans lebt, aber nicht in den Wüsten von Niger, können die Ziegenhirten im Niger beruhigt sein. Sie haben genügend andere Sorgen.
In Uganda führte der Übersprung im Jahr 2000 zu einer Epidemie von Sudanvirus-Infektionen, die sich von Dorf zu Dorf, von Krankenhaus zu Krankenhaus und vom Norden des Landes bis in den Südwesten ausbreitete. Insgesamt starben 224 Menschen. Die Sterblichkeitsrate lag wiederum »nur« bei 53 Prozent und damit genauso hoch wie 1976 beim ersten Ausbruch des Sudanvirus.
Hier zeigt sich offenbar ein bedeutsamer Unterschied in der Gefährlichkeit von Sudan- und Zaire-Ebolaviren. Dieser wiederum dürfte auf eine unterschiedliche evolutionäre Anpassung an Menschen als Sekundärwirte zurückzuführen sein (allerdings könnte es sich auch um einen Zufall handeln). Zur Sterblichkeit tragen während einer Epidemie viele Faktoren bei, darunter Ernährung, wirtschaftliche Bedingungen, die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung und die medizinische Versorgung, die im Epidemiegebiet zur Verfügung steht. Die eigentliche Virulenz eines Erregers von solchen Umweltfaktoren zu trennen, ist schwierig. Eines aber kann man sagen: Das Zaire-Ebolavirus scheint unter den vier Erregern der Gruppe, von denen bisher die Rede war, in seiner Wirkung auf die menschliche Bevölkerung der gefährlichste zu sein. Das Ta ï -Forest-Virus kann man in dem Spektrum bisher mangels Befunden überhaupt noch nicht zuverlässig einordnen. Da es bisher nur einen Menschen (oder möglicherweise zwei, wenn man einen nicht bestätigten späteren Fall mitzählt) infiziert hat und niemand daran gestorben ist, kann man vermuten, dass das Ta ï -Forest-Virus weniger zum Überspringen neigt. Es könnte weniger tödlich sein oder auch nicht; ein einzelner Fall ist nicht aussagekräftig. Es wäre auch denkbar, dass das Ta ï -Forest-Virus häufiger überspringt, ohne dass es Folgen hat – vielleicht infiziert es Menschen, ruft aber keine auffällige Krankheit hervor. Reihenuntersuchungen an der Bevölkerung von C Ô te d’Ivoire, mit denen man diese Möglichkeit ausschließen könnte, hat bisher niemand vorgenommen.
Die Frage, inwieweit die Evolution daran mitgewirkt hat, das Ta ï -Forest-Virus (oder überhaupt irgendein Virus) bei Menschen weniger virulent zu machen, ist kompliziert; eine Antwort lässt sich aus einem einfachen Vergleich der Sterblichkeitsraten nicht ohne weiteres ableiten. Die Sterblichkeit als solche dürfte für den Fortpflanzungserfolg des Virus und sein langfristiges Überleben – die Maßstäbe, nach denen die Evolution misst – bedeutungslos sein. Wie erwähnt, ist der menschliche Organismus nicht der Hauptlebensraum der Ebolaviren. Diese Funktion erfüllt der Reservoirwirt.
Wie andere zoonotische Viren, so haben sich auch die Ebolaviren vermutlich daran angepasst, in aller Ruhe in einem oder mehreren Reservoirwirten zu leben und sich ständig in nicht allzu großem Umfang zu vermehren, wobei sie nur geringe oder überhaupt keine Probleme bereiten. Auf Menschen übergesprungen, stehen sie einer neuen Umwelt und völlig neuen Lebensbedingungen gegenüber, und dann richten sie häufig tödliche Verheerungen
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