Spillover
der einzelnen Arten haben Genome, die sich voneinander um mindestens 30 bis 40 Prozent unterscheiden; in diesem Ausmaß der Vielfalt spiegeln sich vermutlich Unterschiede in den von ihnen besetzten ökologischen Nischen und in ihrer Evolutionsvergangenheit wider.« 12 Towner und Kollegen äußerten die Vermutung, manche wichtigen Unterschiede zwischen den einzelnen Ebolaviren – darunter auch die unterschiedlich starke tödliche Wirkung – könnten damit zu tun haben, wo und wie sie innerhalb ihrer Reservoirwirte leben, aber auch wo und wie sie früher einmal gelebt haben.
Die Ereignisse von Bundibugyo hinterließen bei vielen Bewohnern Ugandas ein ungutes Gefühl. Ihr Land nahm jetzt die traurige Sonderstellung als einziges Land der Erde ein, in dem es Epidemien zweier verschiedener Ebolaviren gegeben hatte (das Sudanvirus in Gulu 2000 und das Bundibugyo-Virus 2007); außerdem waren Epidemien der beiden Ebolaviren und des Marburgvirus (eines anderen Filovirus) in einem einzigen Jahr aufgetreten. Angesichts derartiger nationaler Schicksalsschläge ist es nicht verwunderlich, dass in Uganda Ende 2007 die verschiedensten Gerüchte, Geschichten und Ängste die Runde machten und das Aufspüren der tatsächlichen Wege der Ebolaviren weiter erschwerten.
Die meisten dieser Geschichten waren nicht zu belegen, aber in der Tatsache, dass sie im Umlauf waren, und in ihren allgemeinen Themen spiegelte sich ein weit verbreitetes, intuitives Verständnis für Zoonosen wider: Irgendwie mussten die Krankheiten ihre Wurzeln in dem Verhältnis zwischen Menschen und anderen – wilden oder domestizierten – Tieren haben. Anfang Dezember und dann noch einmal im Januar 2008 gab es Berichte über verdächtige Todesfälle bei Tieren (Affen und Schweinen) in abgelegenen Regionen des Landes. In einem davon war auch von Hunden die Rede, die gestorben waren, nachdem erkrankte Affen sie gebissen hatten. War es eine Tollwutepidemie? War es Ebola? Das Gesundheitsministerium schickte Vertreter, die Proben sammeln und Ermittlungen anstellen sollten.
»Jetzt gab es eine neue Epidemie – eine Epidemie der Angst«, sagte Dr. Sam Okware, ein Beamter der Gesundheitsbehörde, den ich einen Monat später in Kampala aufsuche. Neben seinen anderen Pflichten war Dr. Okware Vorsitzender der nationalen Ebolavirus-Eingreiftruppe. »Die war am schwierigsten einzudämmen«, sagte er. »Es war eine neue Epidemie – der Panik.«
Er erklärte, es seien abgelegene Regionen. Von Wald umgebene Dörfer, Siedlungen, Kleinstädte. Die Menschen ernährten sich vorwiegend von wilden Tieren. Während der Epidemie in Bundibugyo wurden die Bewohner der Region gemieden. Ihre Wirtschaft kam zum Stillstand. Außenstehende nahmen ihr Geld nicht mehr an, weil sie fürchteten, es könne ansteckend sein. Aus der größten Ortschaft wanderte die Bevölkerung ab. Die Bank schloss. Wenn Patienten Glück hatten, sich erholten und dann aus dem Krankenhaus nach Hause kamen, »wurden sie wieder geschnitten. Ihre Häuser wurden angezündet«. Dr. Okware war ein schlanker Mann mittleren Alters mit sauber gestutztem Schnurrbart und langen, beweglichen Händen, mit denen er lebhaft gestikulierte, während er über das traumatische Jahr in Uganda sprach. Die Epidemie von Bundibugyo sei weniger dramatisch als vielmehr »heimtückisch« gewesen und habe unbestimmt vor sich hingeköchelt, während die Gesundheitsbehörden sich darum bemühten, Erkenntnisse zu gewinnen. Immer noch waren fünf Fragen offen. Erstens: Warum war in jedem Haushalt nur die Hälfte aller darin lebenden Personen betroffen? Zweitens: Warum erkrankten im Vergleich zu anderen Ebola-Epidemien nur so wenige Krankenhausmitarbeiter? Drittens: Warum schlug die Krankheit im Distrikt Bundibugyo so vereinzelt in bestimmten Dörfern zu, in anderen aber nicht? Viertens: Wurde die Infektion durch sexuelle Kontakte weitergegeben? Danach hielt er inne, weil er sich einen Augenblick lang nicht mehr an die fünfte Frage erinnern konnte. »Der Reservoirwirt?«, mutmaße ich. Ja, erwidert er, das ist es: Welches ist der Reservoirwirt ?
Mit dem Bundibugyo-Virus in Uganda 2007 ist meine skizzenhafte Darstellung unserer bisherigen Kenntnisse über die Klassifikation der Ebolaviren und ihre Verbreitung abgeschlossen. Vier verschiedene Ebolaviren verteilen sich über Zentralafrika, haben ihre Reservoirwirte verlassen und bei Menschen (aber auch bei Gorillas und Schimpansen) in sechs Ländern Krankheiten hervorgerufen: Südsudan, Gabun,
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