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Spillover

Spillover

Titel: Spillover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Quammen
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zerstörte sie, ging von einer Zelle zur nächsten über und erzeugte sichtbare Zonen der Zerstörung. Nach einigen weiteren Tagen besaß die Arbeitsgruppe elektronenmikroskopische Aufnahmen von runden Virusteilchen, die von einem Kranz aus kleinen Knöpfen umgeben waren. Das kam so unerwartet, dass ein Mikroskopiker aus der Arbeitsgruppe auf eine Art Bestimmungsleitfaden zurückgreifen musste: Er blätterte ein Buch mit elektronenmikroskopischen Aufnahmen von Viren durch und suchte nach Übereinstimmungen. Die fand er bei der Gruppe der Coronaviren: Ihr charakteristisches Merkmal ist ein Kranz (lateinisch corona ) aus knotenförmigen Proteinen, der jedes Virusteilchen säumt.
    Mithilfe der Zellkulturen hatte man also nachgewiesen, dass in den SARS -Patienten – oder zumindest in einigen von ihnen – ein Coronavirus vorhanden war, aber das war noch kein Beweis, dass es sich dabei um den Krankheitserreger handelte. Um die Kausalbeziehung herzustellen, brachte Peiris’ Arbeitsgruppe das Blutserum von SARS -Patienten (das Antikörper enthalten musste) in den Zellkulturen mit dem neu entdeckten Virus zusammen. Es war, als würde man eine Hexe mit Weihwasser überschütten. Die Antikörper erkannten das Virus und reagierten kräftig. Noch nicht einmal einen Monat später veröffentlichten Peiris und seine Kollegen auf der Grundlage dieser Befunde und weiterer, bestätigender Tests einen Artikel, in dem sie vorsichtig erklärten, das neue Coronavirus sei »möglicherweise die Ursache« von SARS . 46
    Sie hatten recht, und der Erreger wurde » SARS -Coronavirus« genannt und nicht gerade griffig abgekürzt als SARS -CoV. Damit hatte man zum ersten Mal ein Coronavirus gefunden, das bei Menschen eine schwere Erkrankung hervorruft. (Mehrere andere Coronaviren gehören zu den vielen Viren, die für gewöhnliche Erkältungen verantwortlich sind. Wieder andere verursachen bei Mäusen Hepatitis, bei Schweinen eine Magen-Darm-Entzündung und bei Puten eine Atemwegsinfektion.) SARS -CoV hört sich alles andere als unheilvoll an. In früheren Zeiten hätte man dem neuen Erreger einen einprägsameren, geographischen Namen verpasst, beispielsweise Foshan-Virus oder Guangzhou-Virus, und dann wären die Leute herumgelaufen und hätten gesagt: Pass auf, er hat Guangzhou! Im Jahr 2003 war aber allen klar, dass eine solche Bezeichnung als diskriminierend empfunden worden und dem Tourismus abträglich gewesen wäre.
    Ungefähr zur gleichen Zeit waren auch mehrere andere Arbeitsgruppen, die unabhängig voneinander an der Isolierung des SARS -Erregers arbeiteten, zu der gleichen Erkenntnis gelangt. In den Vereinigten Staaten war das eine Gruppe an den CDC in Atlanta mit einer langen Liste internationaler Partner. In Europa arbeiteten Wissenschaftler an Forschungsinstitutionen in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden gemeinsam an der gleichen Frage. In China hatte eine kleine Gruppe ernsthafter, kompetenter, bescheidener Forscher bereits einige Wochen früher als Peiris’ Team ein Coronavirus isoliert und fotografiert. Aber diese unglücklichen chinesischen Wissenschaftler, die an der Akademie für militärisch-medizinische Wissenschaft arbeiteten, ließen sich von der Chlamydien-Theorie und ihrem angesehenen Befürworter in Peking einschüchtern; deshalb verpassten sie die Gelegenheit, als Erste die Entdeckung der Wahrheit bekanntzugeben. »Wir waren zu vorsichtig«, sagte einer von ihnen später. »Wir haben zu lange gewartet.« 47
    Nachdem Malik Peiris und seine Mitarbeiter das Virus identifiziert, einen Teil seines Genoms sequenziert und es in den Stammbaum anderer Coronaviren eingeordnet hatten, lautete die nächste logische Frage: Woher stammt es? Der Erreger konnte ja nicht vom Himmel fallen. Aber was war sein natürlicher Lebensraum, sein natürlicher Wirt, sein Lebenszyklus? Solche Fragen spricht der junge Biologe Leo Poon an, einer der beteiligten Wissenschaftler, mit dem ich mich in Hongkong unterhalte.
    »Unsere Befunde an den Materialproben von Menschen«, sagt Poon, »lassen darauf schließen, dass das Virus in Menschen etwas Neues ist. Damit meine ich, dass Menschen früher noch nie mit diesem Virus infiziert waren. Es muss also von irgendeiner Tierart stammen.«
    Aber von welchen Tieren, und wie kam es, dass die Infektion auf Menschen übertragen wurde? Diese Fragen konnte man nur beantworten, indem man in die Wälder, auf die Straßen, auf die Märkte und in die Restaurants im Süden Chinas ging und Indizien

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