Spin
will ich mit ihm sprechen.«
Ich nahm den Hörer und wartete. Molly warf mir einen langen Blick zu, verdrehte dann die Augen und verließ die Küche. Vertraulichkeit. »Jase? Was ist los?«
»Ich brauche dich hier, Tyler.« Seine Stimme war angespannt, halb erstickt.
»Hast du ein Problem?«
»Ja, ich habe ein Scheißproblem. Und du musst kommen und es beheben.«
»So dringend ist es?«
»Würde ich dich sonst anrufen?«
»Wo bist du?«
»Zu Hause.«
»Okay. Es dauert vielleicht ein bisschen, wenn der Verkehr…«
»Hauptsache, du kommst.«
Ich sagte Molly, ich hätte noch etwas Dringendes zu erledigen. Sie lächelte – vielleicht grinste sie auch spöttisch – und sagte: »Was denn? Hat jemand einen Termin verpasst? Musst du Geburtshilfe leisten? Oder was?«
»Ich bin Arzt, Moll. Schweigepflicht.«
»Arzt zu sein, heißt nicht, dass du Jason Lawtons Schoßhund spielen musst. Du musst nicht jedes Mal apportieren, wenn er das Stöckchen wirft.«
»Tut mir Leid, dass ich den Abend so abbreche. Soll ich dich irgendwohin mitnehmen?«
»Nein. Ich bleibe hier, bis du zurückkommst.« Sie starrte mich dabei herausfordernd, ja streitlustig an, sie wartete nur darauf, dass ich Einspruch erhob.
Aber das tat ich nicht. Es hätte bedeutet, dass ich ihr nicht traute. Und ich traute ihr ja. Weitgehend zumindest. »Ich weiß nicht genau, wie lange es dauert.«
»Macht nichts. Ich kuschel mich aufs Sofa und mach die Glotze an. Falls dir das recht ist?«
»Solange du dich nicht langweilst.«
»Ich verspreche, dass ich mich nicht langweilen werde.«
Jasons spärlich möblierte Wohnung war dreißig Kilometer Highway-Fahrt entfernt, und auf dem Weg dorthin wurde ich um den Tatort eines Verbrechens herumgeleitet, ein fehlgeschlagener Überfall auf einen Geldtransporter, bei dem offenbar einige Touristen ums Leben gekommen waren. Der Summer ließ mich in das Gebäude ein, und als ich an Jasons Wohnungstür klopfte, rief er: »Es ist offen.«
Das große vordere Zimmer war so karg eingerichtet wie eh und je, eine Parkettwüste, in der Jason sein Beduinenlager aufgeschlagen hatte. Er lag auf dem Sofa. Die Stehlampe tauchte ihn in ein hartes, unvorteilhaftes Licht. Er war blass, die Stirn von Schweiß bedeckt. Seine Augen glitzerten.
»Ich dachte schon, du kommst nicht«, sagte er. »Dachte, deine Provinzlerfreundin würde dich vielleicht nicht weglassen.«
Ich erzählte ihm von der Polizeisperre. »Und tu mir einen Gefallen«, fügte ich hinzu. »Sprich nicht so von Molly.«
»Ich soll sie nicht als Landpomeranze aus Idaho mit Wohnwagenparksensibilität bezeichnen? Aber sicher doch. Alles, was du willst.«
»Was ist los mit dir?«
»Interessante Frage, viele denkbare Antworten. Sieh her.«
Er stand auf.
Es war ein elender, mühsamer, quälend langsamer Vorgang. Jason war immer noch groß, immer noch schlank, doch die körperliche Grazie, die ihm einst so selbstverständlich zu Eigen gewesen war, hatte ihn verlassen. Als es ihm endlich gelungen war, sich in eine aufrechte Position zu bringen, zitterten seine Beine wie bei einer Gliederpuppe. Er blinzelte krampfartig. »Das ist los mit mir.« Dann brach sich, mit einer weiteren konvulsiven Bewegung, die Wut Bahn – sein emotionaler Zustand war so unberechenbar wie seine Gliedmaßen: »Sieh es dir an! S-s-scheiße, Tyler, sieh mich an!«
»Leg dich wieder hin, Jase. Damit ich dich untersuchen kann.« Ich hatte meinen Arztkoffer mitgebracht. Ich krempelte seinen Ärmel auf und wickelte eine Blutdruckmanschette um seinen dürren Arm. Ich spürte, wie sich der Muskel darunter zusammenzog, kaum zu kontrollieren. Der Blutdruck war hoch, und der Puls raste. »Deine Antispasmodika hast du eingenommen?«
»Natürlich hab ich die beschissenen Antispasmodika genommen.«
»Regelmäßig? Keine Doppeldosierung? Wenn du nämlich zu viel davon nimmst, schadet es eher, als dass es nützt.«
Er seufzte ungeduldig. Dann tat er etwas Überraschendes. Er griff um meinen Kopf herum, packte eine Hand voll meiner Haare und zog mich ziemlich grob herunter, bis sich unsere Gesichter ganz nah waren. Worte sprudelten aus ihm heraus, ein tobender Strom. »Werd hier jetzt nicht pedantisch, Tyler, das ist das Letzte, was ich im Moment gebrauchen kann. Vielleicht hast du das eine oder andere Problem, was meine Behandlung angeht. Aber tut mir Leid, das ist jetzt nicht die Zeit, deine Scheißprinzipien hochzuhalten. Zu viel steht auf dem Spiel. E. D. wird morgen einfliegen. Er glaubt, er
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