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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Versammlung von Schwachsinnigen halten. Es schien völlig gleichgültig, wer ich war oder wie ich hierher gekommen war – entscheidend war, dass ich zur Verfügung stand.
    »Ich brauche Wasser.«
    »Da ist ein Eimer zum Waschen«, sagte ich.
    »Nicht zum Waschen. Ich hatte seit gestern Abend nichts mehr zu trinken.«
    Condon hielt inne, als müsse er diese Information erst einmal verarbeiten. Dann nickte er. »Simon, kümmere dich darum.«
    Simon schien in diesem Trio der Laufbursche zu sein. Er zog den Kopf ein und murmelte: »Ich hol dir was zu trinken, Tyler, klar doch.« Sorley öffnete das Scheunentor, um ihn hinauszulassen.
    Condon wandte sich wieder der Viehbox zu, wo die erschöpfte Färse schwer atmend dalag. Er schüttete sich Mineralöl über die Hände und hockte sich hin, um den Geburtskanal zu weiten, wobei sich sein Gesicht in einer Mischung aus Eifer und Widerwillen verzerrte. Kaum hatte er damit begonnen, da erschien das Kalb in einem weiteren Sturzbach aus Blut und Flüssigkeit, doch trotz der heftigen Wehen der Färse brachte es kaum den Kopf heraus. Das Kalb war zu groß. Molly hatte mir von überdimensionierten Kälbern erzählt – nicht so schlimm wie eine Steißgeburt oder eine Hüftverklemmung, aber unangenehm genug.
    Es machte die Sache nicht besser, dass die Färse offenkundig krank war. Grünlicher Schleim lief ihr aus dem Mund, und auch wenn die Wehen nachließen, rang sie schwer nach Luft. Ich fragte mich, ob ich Condon darauf ansprechen sollte: Sein göttliches Kalb war offenbar auch schon infiziert.
    Entweder bemerkte er es nicht, oder es war ihm egal. Condon war alles, was vom dispensationalistischen Flügel von Jordan Tabernacle übrig geblieben war, eine Kirche für sich, auf ganze zwei Gemeindemitglieder geschrumpft, Sorley und Simon, und ich konnte nur erahnen, wie robust sein Glaube gewesen sein musste, um ihn hierher, ans Ende der Welt zu tragen. »Das Kalb, das Kalb ist rot«, sagte er. »Aaron, sieh dir das Kalb an.«
    Sorley, der mit seiner Flinte an der Tür postiert war, kam heran, um in den Pferch zu spähen. Das Kalb war in der Tat rot. Von Blut übergossen. Und ausgesprochen schlaff.
    »Atmet es?«, fragte Sorley.
    »Das kommt noch.« Condon war gedankenverloren, schien diesen Moment auszukosten, von dem seiner Überzeugung nach eine ganze – gewonnene oder verlorene – Ewigkeit abhing. »Schnell jetzt, schlingt die Ketten um die Hornschuhe.«
    Sorley warf mir einen Blick zu, in dem eine eindeutige Warnung lag – wehe, du sagst auch nur ein Wort –, und wir taten wie befohlen, mühten uns, bis wir bis zu den Ellbogen blutig waren. Ein übergroßes Kalb zur Welt zu bringen, ist ein ziemlich brutaler Vorgang, eine groteske Hochzeit von Biologie und roher Gewalt. Man benötigt dazu mindestens zwei einigermaßen kräftige Männer. Die Geburtshilfeketten waren zum Ziehen da, und das Ziehen musste mit den Wehen der Kuh abgestimmt sein, anderenfalls bestand die Gefahr, dass wir das Tier ausweideten.
    Diese Färse jedoch war äußerst geschwächt, und ihr Kalb – dessen Kopf leblos zur Seite hing – war offensichtlich eine Totgeburt. Ich sah Sorley an. Sorley sah mich an. Keiner von uns sagte ein Wort.
    »Als Erstes müssen wir sie rausholen. Dann werden wir sie wiederbeleben«, erklärte Condon.
    Ein kühler Luftzug kam von der Scheunentür her. Dort stand Simon mit einer Flasche Mineralwasser in der Hand. Er starrte erst uns an, dann, erschreckend blass im Gesicht, das Totgeborene. »Hab dir was zu trinken gebracht«, presste er heraus.
    Die Färse brachte eine weitere schwache, wirkungslose Wehe hinter sich. Ich ließ die Kette fallen. »Trink erst mal, mein Sohn«, sagte Condon. »Danach machen wir weiter.«
    »Ich muss mich sauber machen. Wenigstens die Hände.«
    »Da ist sauberes heißes Wasser in den Eimern neben den Heuballen. Aber mach schnell.« Seine Augen waren zusammengepresst, verschlossen vor allen Kämpfen, die sein gesunder Menschenverstand mit seinem Glauben ausfechten mochte.
    Ich spülte und desinfizierte meine Hände. Sorley behielt mich scharf im Auge. Seine eigenen Hände waren noch um die Geburtshilfeketten gespannt, sein Gewehr lehnte in Reichweite an einer Stange der Box.
    Als Simon mir die Flasche reichte, neigte ich mich zu ihm und sagte: »Ich kann Diane nur helfen, wenn ich hier rauskomme. Verstehst du? Und das schaffe ich nicht ohne deine Hilfe. Wir brauchen einen Wagen mit vollem Tank, und Diane muss drinsitzen, am besten noch bevor Condon

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