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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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Es war eine sowohl großzügige als auch emotional zweifelhafte Geste – freilich eine, die abzulehnen ich mir keinesfalls leisten konnte.
    Marcus Dupree, mein Vater, war E. D. Lawtons engster – manche sagen: einziger – Freund gewesen, damals in Sacramento, als sie Aerostat-Überwachungsgeräte an das Wetteramt und die Grenzpolizei verkauften. Meine eigenen Erinnerungen an ihn waren bruchstückhaft und vermutlich geformt von den Geschichten, die mir meine Mutter erzählt hatte – wenn ich mich auch genau an das Klopfen an der Tür erinnere, in jener Nacht, in der er starb. Er war der einzige Sohn einer französisch-kanadischen, später nach Maine gezogenen, mittellosen Familie gewesen, stolz auf sein Ingenieurspatent, begabt, aber in Geldfragen heillos naiv: Er hatte seine ganzen Ersparnisse bei Aktienspekulationen verloren und meiner Mutter eine Hypothek hinterlassen, die sie nicht tragen konnte.
    Als sie in den Osten zogen, engagierten Carol und E. D. meine Mutter als Haushälterin, was womöglich E. D.s Versuch war, sich ein lebendes Andenken an seinen Freund zu schaffen. War es von Bedeutung, dass E. D. sie nie vergessen ließ, wer ihr diesen Gefallen getan hatte? Dass er sie fortan wie ein Haushaltszubehör behandelte? Dass er eine Art Kastenwesen pflegte, in dem die Familie Dupree ganz klar der zweiten Kategorie angehörte? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Großzügigkeit jeglicher Art ist ein seltenes Tier, pflegte meine Mutter zu sagen. Womöglich bildete ich mir also das Vergnügen nur ein, das er an der intellektuellen Kluft zwischen Jason und mir zu haben schien, und auch seine scheinbare Überzeugung, dass ich qua Geburt dazu bestimmt sei, Jason als Folie zu dienen, gleichsam als Maßstab der Normalität, an dem man Jasons Besonderheit ablesen konnte.
    Zum Glück wussten Jason und ich beide, dass das Blödsinn war.
    Diane und Carol saßen schon am Tisch, als ich Platz nahm. Carol war erstaunlicherweise nüchtern, oder jedenfalls nicht so betrunken, dass man es merkte. Sie hatte ihre Arztpraxis vor einigen Jahren aufgegeben und blieb in letzter Zeit meistens zu Hause, um nicht das Risiko einzugehen, mit Alkohol am Steuer aufgegriffen zu werden. Sie lächelte mir flüchtig zu. »Tyler«, sagte sie. »Willkommen.«
    Ein paar Minuten später kamen Jason und sein Vater, stirnrunzelnd und bedeutungsvolle Blicke wechselnd, die Treppe herunter – offensichtlich lag irgendetwas an. Jason nickte zerstreut, als er sich auf den Stuhl neben mich setzte.
    Wie die meisten Veranstaltungen der Lawtons verlief dieses Abendessen in freundlicher, aber gezwungener Atmosphäre. Wir reichten einander die Erbsen und machten Smalltalk. Carol war abwesend, E. D. ungewöhnlich still. Diane und Jason versuchten immer mal wieder, sich um die Konversation verdient zu machen, doch es war offenkundig etwas zwischen Jason und seinem Vater zur Sprache gekommen, auf das keiner von beiden näher eingehen wollte. Jase wirkte so angespannt, dass ich mich, als der Nachtisch kam, fragte, ob er vielleicht krank sei – kaum einmal nahm er die Augen von seinem Teller, den er wiederum praktisch nicht angerührt hatte. Als es Zeit war, zur Rodelparty aufzubrechen, erhob er sich nur mit deutlichem Widerwillen und schien im Begriff, sich zu entschuldigen, doch E. D. sagte: »Lass nur, nimm dir einen Abend frei, das wird dir gut tun.« Ich fragte mich: freinehmen wovon?
    Zu der Party fuhren wir in Dianes Auto, einem bescheidenen kleinen Honda, ein typisches »Mein erstes Auto«-Auto, wie Diane sich ausdrückte. Ich saß hinter dem Fahrersitz, Jason vorne neben seiner Schwester, die Knie gegen das Handschuhfach gedrückt.
    »Was war los?«, fragte ihn Diane. »Hat er dir den Hintern versohlt?«
    »Schwerlich.«
    »Du benimmst dich aber so, als ob.«
    »Tatsächlich? Tut mir Leid.«
    Der Himmel, versteht sich, war dunkel. Unser Scheinwerferlicht strich, als wir nach Norden bogen, über verschneite Rasenflächen, über eine Wand laubloser Bäume. Wir hatten vor drei Tagen Rekordschneefälle gehabt, gefolgt von einem Kälteeinbruch, der den Schnee überall dort, wo die Schneepflüge nicht hingekommen waren, unter einer Eishaut einbalsamiert hatte. Nur wenige, vorsichtig fahrende Autos kamen uns entgegen.
    »Was war’s denn dann? Etwas Ernstes?«
    Jason zuckte mit den Achseln.
    »Was? Seuchen? Hungersnöte?«
    Wieder zuckte er mit den Achseln und schlug den Kragen seiner Jacke hoch.
     
    Auf der Party war er nicht viel besser drauf.

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