Spin
Andererseits war es auch keine besonders tolle Party.
Es war ein Treffen ehemaliger Rice-Klassenkameraden von Jason und Diane, ausgerichtet von der Familie eines Rice-Absolventen, der gerade von irgendeiner Eliteuniversität für die Ferien mach Hause gekommen war. Seine Eltern versuchten, den Abend einigermaßen respektabel zu gestalten: mit Fingerfood, heißem Kakao und Schlittenfahren auf dem sanften Hügel hinter dem Haus. Doch für die Mehrzahl der Gäste – ernste Wohlstandskinder, die schon im Zahnspangenalter in Zermatt oder Gstaad Ski gelaufen waren – war es nur ein weiterer Trinkanlass. Draußen, unter bunten Lichtergirlanden, zirkulierten mehr oder weniger heimlich die Flachmänner, und im Keller verkaufte ein Typ namens Brent Ecstasy.
Jason suchte sich einen Sessel in irgendeiner Ecke und blickte jeden finster an, der ein freundliches Gesicht machte. Diane stellte mir ein großäugiges Mädchen namens Holly vor und verließ mich dann, während Holly einen Monolog über sämtliche Filme, die sie in den letzten zwölf Monaten gesehen hatte, vom Stapel ließ. Fast eine Stunde trieb sie mich durchs Zimmer, nur hin und wieder innehaltend, um sich ein Stück Sushi von einem Tablett zu schnappen. Als sie mal aufs Klo musste, huschte ich hinüber in Jasons Schmollecke und bat ihn flehentlich, mit mir nach draußen zu gehen.
»Ich hab keine Lust zum Rodeln.«
»Ich auch nicht. Tu mir einfach einen Gefallen, okay?«
Also zogen wir unsere Stiefel und Jacken an und trotteten nach draußen. Die Nacht war kalt und windstill. Ein halbes Dutzend Rice-Schüler stand in einem Nebel von Zigarettenrauch auf der Veranda und starrte uns an. Wir folgten einem Pfad im Schnee, bis wir mehr oder weniger für uns waren, auf einem kleinen Hügel, von wo aus wir einigen halbherzigen Rodlern zusehen konnten, wie sie durch den Schein der Weihnachtsbeleuchtung schlitterten. Ich erzählte Jason von Holly, die sich an mich geheftet hatte wie eine Klette. Achselzuckend erwiderte er: »Jeder hat so seine Probleme.«
»Was zum Teufel ist eigentlich los mit dir heute Abend?«
Bevor er antworten konnte, klingelte mein Handy. Es war Diane, die vom Haus aus anrief. »Wo seid ihr hin? Holly ist ziemlich sauer. Sie einfach so stehen zu lassen. Ziemlich unhöflich, Tyler.«
»Da muss doch noch jemand anders sein, den sie zutexten kann.«
»Sie ist einfach unsicher. Sie kennt hier kaum jemanden.«
»Tut mir Leid, aber inwiefern ist das mein Problem?«
»Ich dachte nur, mit euch beiden könnte es passen.«
Ich blinzelte. »Es könnte mit uns passen?« Wie sollte man das interpretieren, wenn nicht… »Soll das heißen, du wolltest uns verkuppeln?«
Sie zögerte ein, zwei lange Sekunden. »Ach, komm, Tyler, reg dich nicht auf.«
Seit fünf Jahren tauchte Diane mal mehr, mal weniger scharf auf meiner Bildfläche auf. Es hatte Zeiten gegeben – vor allem, nachdem Jason auf die Uni gegangen war –, in denen ich mir wie ihr bester Freund vorgekommen war. Sie rief an, wir redeten, wir shoppten oder sahen uns Filme an. Wir waren Freunde. Kumpel. Sofern es irgendeine sexuelle Spannung gab, schien sie ganz auf meiner Seite zu liegen, und ich war sorgfältig darauf bedacht, sie zu verbergen, weil selbst diese Teilintimität fragil war – das wusste ich, ohne dass man es mir sagen musste. Was immer Diane bei mir suchte, es hatte nichts mit irgend gearteter Leidenschaft zu tun.
E. D. hätte natürlich kein Verhältnis zwischen mir und Diane geduldet, es sei denn, es war kindlicher Natur, fand unter Aufsicht statt und barg keine Gefahr, unerwartete Wendungen zu nehmen. Aber auch Diane schien die Distanz zwischen uns ganz gut in den Kram zu passen, und so sah ich sie manchmal monatelang fast gar nicht, allenfalls, dass ich ihr von ferne zuwinkte, wenn sie auf den Rice-Bus wartete (solange sie noch auf die Academy ging). Während dieser Phasen rief sie nicht an, und wenn ich mal, was selten genug vorkam, die Kühnheit besaß, bei ihr durchzuklingeln, war sie nicht zum Reden aufgelegt.
Während dieser Zeit ging ich gelegentlich mit Mädchen von meiner Schule aus, schüchternen Mädchen zumeist, die eigentlich (oft genug explizit) lieber von Jungen mit höherem Popularitätsgrad ausgeführt worden wären, sich aber mehr oder weniger damit abgefunden hatten, ein gesellschaftliches Leben zweiter Wahl zu fuhren. Keine dieser Verbindungen war von Dauer. Als ich siebzehn war, verlor ich meine Unschuld an ein hübsches, verblüffend großes Mädchen
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