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Spin

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Titel: Spin Kostenlos Bücher Online Lesen
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elektromagnetische Barriere um die Erde verbirgt uns also nicht, sie beschützt uns. Sie schirmt diese ganze konzentrierte – und ich vermute mal: blauverschobene – Strahlung ab.«
    »Das gefälschte Sonnenlicht.« Diane hatte es kapiert.
    »Genau. Sie haben uns falsches Sonnenlicht gegeben, weil der echte Stoff tödlich wäre. Gerade mal genug davon, und zwar ordnungsgemäß verteilt, um die Jahreszeiten nachzuahmen, Ackerbau möglich zu machen und so etwas wie Wetter zu fabrizieren. Die Gezeiten, unsere Flugbahn um die Sonne – Masse, Impuls, Anziehungskraft –, all diese Dinge werden manipuliert, nicht nur, um uns abzubremsen, sondern auch, um uns währenddessen am Leben zu erhalten.«
    »Manipuliert«, sagte ich. »Es ist also kein Naturereignis. Es ist gemacht, ein Werk der Technik.«
    »Ich glaube, das müssen wir uns eingestehen, ja.«
    »Es wird uns zugefügt.«
    »Manche sprechen von einer hypothetischen Steuerintelligenz.«
    »Aber wozu das alles? Was ist damit bezweckt?«
    »Ich weiß es nicht. Niemand weiß es.«
    Diane starrte ihren Bruder durch die kalte Winterluft hindurch an. Zitternd schlug sie die Arme um ihren Parka. Nicht so sehr wegen der Temperaturen, sondern weil sie auf die entscheidende Frage gekommen war: »Wie viel Zeit, Jason? Wie viel Zeit vergeht dort draußen?«
    Jason zögerte, sichtlich unwillig, ihr zu antworten. »Viel Zeit«, murmelte er schließlich.
    »Sag’s uns einfach«, sagte sie entschieden.
    »Nun ja, es gibt alle möglichen Messungen. Aber beim letzten Start, da haben sie ein Kalibrierungssignal von der Mondoberfläche abprallen lassen. Der Mond entfernt sich jedes Jahr ein wenig von der Erde, wusstet ihr das? Um eine winzig kleine, aber messbare Strecke. Wenn man diese Strecke misst, gewinnt man einen groben Kalender, der umso genauer ist, je mehr Zeit verstreicht. Nehmt das zusammen mit anderen Indikatoren, zum Beispiel die Bewegung nahegelegener Sterne…«
    »Wie viel Zeit, Jason?«
    »Seit dem Oktober-Ereignis sind fünf Jahre und ein paar Monate vergangen. Außerhalb der Barriere stellt sich das als ein Zeitraum von etwas über fünfhundert Millionen Jahren dar.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mir fiel absolut nichts ein. Ich war sprachlos. Keines Gedankens fähig. Es gab in diesem Moment nicht das geringste Geräusch, nichts als die Leere der Nacht.
    Diane allerdings blickte geradewegs ins furchterregende Herz der Sache: »Und wie lange bleibt uns noch?«
    »Auch das weiß ich nicht. Kommt drauf an. Zu einem gewissen Grad sind wir durch die Barriere geschützt, doch wie wirksam ist dieser Schutz? Einigen Tatsachen jedenfalls müssen wir ins Auge sehen: Die Sonne ist sterblich, wie alle anderen Sterne. Sie verbrennt Wasserstoff, sie expandiert und wird immer heißer. Die Erde existiert in einer Art bewohnbaren Zone innerhalb des Sonnensystems, und diese Zone bewegt sich stetig nach außen. Wie gesagt, wir sind geschützt, vorläufig sind wir auf jeden Fall sicher. Aber irgendwann wird die Erde in die Heliosphäre der Sonne eintreten, wird von ihr verschluckt werden. Ab einem gewissen Punkt gibt es schlicht und einfach kein Zurück mehr.«
    »Wie lange, Jase?«
    Er sah sie mitleidig an. »Vierzig, vielleicht fünfzig Jahre. Ungefähr.«

 
4 x 10 9 N. CHR.
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    Die Schmerzen waren schwer zu ertragen, selbst mit Hilfe des Morphiums, das Diane für lächerlich viel Geld in einer Apotheke in Padang erstanden hatte. Das Fieber war noch schlimmer.
    Es war nicht durchgehend da. Es kam in Wellen, in Clustern, in Blasen von Hitze und von Lärm, der unerwartet in meinem Kopf explodierte. Mein Körper wurde in der Folge launenhaft, unberechenbar. Eines Nachts griff ich nach einem nicht vorhandenen Glas Wasser, zerschlug eine Nachttischlampe und weckte dadurch das Paar im Nebenzimmer.
    Am nächsten Morgen, vorübergehend wieder klar im Kopf, konnte ich mich nicht mehr an den Vorfall erinnern. Aber ich sah das geronnene Blut auf meinen Fingerknöcheln und ich hörte, wie Diane den wütenden Concierge entschädigte.
    »Hab ich das wirklich getan?«, fragte ich sie.
    »Bedauerlicherweise ja.«
    Sie saß in einem Korbsessel neben dem Bett. Sie hatte Essen aufs Zimmer kommen lassen, Rührei und Orangensaft, daher vermutete ich, dass es Morgen war. Der Himmel hinter den hauchdünnen Vorhängen war blau. Die Balkontür stand offen, ließ angenehm warme Luft und den Geruch des Meeres herein. »Tut mir Leid«, sagte ich.
    »Du warst nicht bei dir. Ich würde

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