Spin
davon.«
»Also hast du dir das hier mit Absicht zugefügt?«
»Ja, ich habe mir die Substanz injiziert, nachdem er gestorben war. Es war nicht traumatisch und hatte keine unmittelbare Wirkung. Es bestand ja gar nicht die Möglichkeit, dass Nachrichten der Replikatoren die Spinmembran durchdrangen, solange diese voll funktionsfähig war. Es war eine rein latente Fähigkeit, die ich mir da verschaffte.«
»Warum hast du es dann gemacht?«
»Weil ich nicht in einem Zustand der Unwissenheit sterben wollte. Wir alle haben angenommen, dass wir, wenn der Spin zu Ende ist, innerhalb von Tagen oder gar Stunden sterben würden. Der einzige Sinn von Wuns Modifikation lag für mich darin, dass ich in diesen letzten Stunden in Kontakt mit einer Datenbasis treten würde, die fast so groß ist wie die Galaxis selbst. Ich würde erfahren – so weit man das als Erdling überhaupt erfahren kann –, wer die Hypothetischen sind und warum sie das alles mit uns angestellt haben.«
Ich dachte: Ja und, weißt du das jetzt? Und vielleicht wusste er es ja wirklich. Vielleicht war es das, was er noch unbedingt mitteilen wollte, bevor ihn die Fähigkeit zu sprechen verließ; vielleicht wollte er deshalb, dass ich einen Mitschnitt davon machte. »Wusste Wun, dass du so etwas tun würdest?«
»Nein, und ich bezweifle, dass er es gebilligt hätte… obwohl er dieselbe Anwendung laufen hatte.«
»Tatsächlich? Das hat man gar nicht gemerkt.«
»Konnte man auch nicht. Du musst dir eins klar machen: Was mit mir passiert – mit meinem Körper, meinem Gehirn –, das ist nicht die Anwendung.« Er wandte mir seine blicklosen Augen zu. »Das ist eine Funktionsstörung.«
Die Replikatoren waren von der Erde aus ins äußere Sonnensystem geschickt worden, und dort, weit von der Sonne entfernt, gediehen sie prächtig. (Hatten die Hypothetischen das bemerkt, und machten sie die Erde verantwortlich für etwas, das im Grunde ein marsianisches Projekt war? War es das, was die Marsianer, wie E. D. unterstellte, von Beginn an geplant hatten? Jason äußerte sich nicht darüber – ich vermute, dass er es nicht wusste.) Nach und nach verbreiteten sich die Replikatoren zu den nächsten Sternen und darüber hinaus – weit darüber hinaus. Die Kolonien waren auf astronomische Entfernungen nicht zu sehen, aber hätte man sie auf einem Raster unserer eigenen stellaren Umgebung abgebildet, würde man sie als sich stetig ausdehnende Wolke wahrgenommen haben, als eine zeitlupenhafte Explosion künstlichen Lebens.
Die Replikatoren waren nicht unsterblich; sie lebten, vermehrten sich und starben schließlich. Was jedoch über sie hinaus Bestand hatte, war das Netzwerk, das sie bauten: ein Korallenriff von modulierten, miteinander verbundenen Knotenpunkten, in dem sich Daten ansammelten und zum Ausgangspunkt des Netzes wanderten.
»Als wir uns das letzte Mal gesprochen haben«, rief ich Jason in Erinnerung, »sagtest du, es gebe ein Problem. Du sagtest, die Replikatorenpopulation bilde sich zurück.«
»Ja, sie wurden mit etwas konfrontiert, das niemand auf der Rechnung gehabt hatte.«
»Und was?«
Er schwieg einige Zeit, wie um seine Gedanken zu sammeln. »Wir nahmen an, dass wir mit den Replikatoren etwas Neues in das Universum einführen würden, eine völlig neue Form von künstlichem Leben. Diese Annahme war naiv. Wir – die Menschen, ob auf der Erde oder auf dem Mars – waren nicht die erste intelligente Spezies, die sich in unserer Galaxis entwickelt hat. Bei weitem nicht. Tatsächlich ist an uns nichts Ungewöhnliches, praktisch alles, was wir in unserer kurzen Geschichte getan haben, ist vorher schon getan worden, irgendwo, von irgendjemand.«
»Du willst sagen, die Replikatoren sind auf andere Replikatoren getroffen?«
»Eine Ökologie von Replikatoren. Die Sterne sind ein Dschungel, Tyler. Es gibt dort mehr Leben, als wir uns je vorgestellt haben.«
Ich versuchte mir den Prozess, den Jason beschrieb, vor Augen zu führen: Weit entfernt von der spinisolierten Erde, weit jenseits des Sonnensystems, so tief im Weltraum, dass selbst die Sonne nur ein Stern unter vielen ist, lässt sich ein Replikatorensame auf einem staubigen Eissplitter nieder und beginnt sich zu vermehren. Er setzt den gleichen Zyklus von Wachstum, Beobachtung, Kommunikation und Reproduktion in Gang, der schon unzählige Male im Verlauf der langsamen Wanderung seiner Vorfahren stattgefunden hat. Vielleicht erlangt er das Reifestadium, vielleicht beginnt er sogar kleine
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