Spinnefeind
Lederjacke aus und warf sie in hohem Bogen auf das Bett. Am Rücken war sein Hemd völlig durchgeschwitzt. Gebannt starrte Hannes auf die Waffe in seinem Holster.
»Was habt ihr vor?«, fragte er.
Anja holte Atem, aber Hannes kam ihr zuvor.
»Lass es sein, Anja. Es hat doch keinen Zweck.« Er legte Anja den Arm um die Schultern und schmiegte sein Gesicht an ihr Haar.
Katinka setzte sich auf den einzigen Stuhl. Davor lagen CDs. Discman, mp3-Spieler, Zeitschriften, Stifte. Eine Schultasche aus Leder, abgegriffen und viel gebraucht, länger, als das Schülerleben von Hannes oder Anja währen konnte.
»Schönen Gruß von Valente. Er hat uns geholfen, ein paar von den Botschaften zu dechiffrieren, die du hinterlassen hast. Dank seiner Nachhilfe habe ich auch das eine oder andere rausgefunden.«
Hannes’ Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, doch Anjas Augen wurden noch dunkler vor Zorn.
»Tja«, sagte Hannes. »Dann erzähle ich mal, was wir wissen.«
20. Ein armer Irrer
»Das Schulfest fand am 24. Juni statt«, begann Hannes, während er einen verbeulten Aluminiumtopf mit Wasser auf die Kochplatte stellte. »Das war wirklich ein blöder Tag.« Er sah hilfesuchend zu Hardo, als könne der Kommissar die Geschichte weitererzählen. Dem Jungen war anzumerken, dass der mächtige Körper mit der umgeschnallten Waffe ihm Respekt und vielleicht sogar Angst einflößte. »Es waren Austauschschüler da. Franzosen. Die wollten wir verabschieden. Aber ich hatte keinen Bock. Wir … Anja, Valente und ich haben uns mit denen nicht so gut verstanden. Die wollten immer nur Party machen und saufen und hatten die ganze Zeit ihren Hiphop in den Ohren. Ich stehe da nicht so drauf.«
Katinka hob ein paar CDs auf.
» Karavan & Boban Markovi ć «, las sie vor. »Gipsy Flamenco. Musik vom Balkan? Das ist eher deins, oder?« Sie achtete nicht auf Anjas wütend blitzende Augen.
»Ja, stimmt.« Er sah mit dem dümmlichen Grinsen des Verliebten zu Anja, bevor er ein Glas Instantkaffee und vier Tassen aus dem Schrank kramte. »Dann war da Falks Geschichte, wir würden zum Schuljahresabschluss etwas Echtes dechiffrieren dürfen. Ich war total heiß darauf. Ich wollte das unbedingt machen. Die Kryptoanalyse fasziniert mich eben.« Er löffelte Kaffeepulver in die Tassen.
»Du wolltest der Erste sein, der den Text entschlüsselt, oder?«, half Katinka, nachdem Hannes’ Pause sich hinzog. Sie verstand seine Faszination. Dieses Ziehen im Magen, das aufregende Gefühl, ein Geheimnis zu lüften, hatte sie in dieser Nacht selbst als starken Antrieb empfunden.
»Ich hatte Falk öfter gefragt, worum es denn bei dem echten Text ginge. Aber er hat nur den Finger auf die Lippen gelegt und gesagt, ich sollte mich bedeckt halten. Auch gegenüber meinen Freunden.« Er lächelte. »Jetzt weiß ich, wen er meinte. Valente. Wegen seines Vaters.«
Also doch, dachte Katinka. Sie wechselte einen Blick mit Hardo. Er überließ es ihr, das Gespräch zu lenken.
»Auf dem Schulfest hast du dich von den anderen abgesetzt und bist los, um den chiffrierten Text zu finden?«, fragte sie.
»Ich bin zum Lehrerzimmer marschiert. Am PCG ist jedes Schulfest auch Tag der offenen Tür. Das Lehrerzimmer stand offen. Niemand war da. Ich ging rein. Guckte in Falks Fach. Da lagen Mathebücher drin und ein Umschlag. Den habe ich mir geschnappt und bin wieder gegangen.« Er sah zu Hardo, während Anja den Topf mit dem brodelnden Wasser von der Platte nahm und die Tassen füllte.
»Hat dich jemand gesehen?«
»Ich wollte nichts klauen. Ich bin zum Lehrerzimmer, weil ich dachte, vielleicht könnte ich Falk noch mal nach dem Text fragen. Am Schulfest lief alles ganz entspannt. Hätte sein können, dass er mir in gelöster Stimmung ein wenig mehr verrät als sonst.«
»Seinem Lieblingsschüler«, warf Anja gehässig ein. Hannes quittierte die Bemerkung mit einem charmanten Augenzwinkern.
»Jedenfalls hatte ich den Text. Außerdem sollte ich mit Valente auf die Unterstufe aufpassen, die machten irgendein doofes Spiel. Dazu hatte ich nun wirklich keinen Bock.«
Also durfte der liebe Valentin diese wunderschöne Aufgabe übernehmen, dachte Katinka. Valente hat wirklich die Verliererkarte gezogen.
»Irgendwie brachte ich das Fest rum. Abends wollten die anderen mit den Franzosen um die Häuser gehen, aber ich bin so schnell wie möglich nach Hause geradelt. Nehmen Sie sich bitte Kaffee. Milch haben wir leider nicht.« Hannes bückte sich nach der abgegriffenen
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