Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
Vom Netzwerk:
Schultasche und zog einen Hefter heraus. Er reichte Hardo mehrere Blätter. »Der chiffrierte Text und meine Entschlüsselung.«
    Katinka sah Hardo über die Schulter, während sie an dem schwarzen Kaffee nippte. Er legte die Seiten, die mit Zeilen voller Buchstaben und Zahlen vollgeschrieben waren, schnell beiseite und vertiefte sich in den decodierten Teil.

     
    Psychiatrisches Gutachten
    über Herrn Doktor Eugen Kaminsky, München
    angefertigt von Dr. Max Phillip

     
    Der Patient ist mir seit dem 31.8.1999 persönlich bekannt. Er suchte zu dem Zeitpunkt Hilfe wegen Angstzuständen, depressiver Verstimmungen und zwanghafter Handlungen (Waschzwang), in deren Folge er nicht mehr arbeitsfähig war und seine Tätigkeit als Studiendirektor am Gymnasium nicht ausführen konnte. Eine medikamentöse Behandlung mit Frisium 20 brachte nicht den gewünschten Erfolg. Ich empfahl Dr. Kaminsky daher eine vierwöchige Kur, in deren Verlauf er außer einer intensiven Medikamentenbehandlung unter permanenter Aufsicht auch eine Gesprächstherapie in Anspruch nahm. Im Anschluss an die Kur ging es dem Patienten deutlich besser. Nach weiteren zwei Wochen konnte er an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.
    Die genannten Beschwerden sind nach einer fünfjähriger Phase vollständiger Gesundheit wieder aufgeflammt: Depressionen, Waschzwang, Ängste, die zu Schlaflosigkeit führen. Der Patient wurde von mir am 1.12.03 erneut krankgeschrieben. Die Kombinationsbehandlung aus Antidepressivum und Neuroleptikum zeitigt erste Erfolge. Eine Kur wurde beantragt. Allerdings zeigt sich der Patient selbst sehr wankelmütig, indem er eine mögliche Kur zum einen herbeisehnt, zum anderen jedoch fürchtet und nicht antreten will. Ganz eindeutig ist der Betroffene im Augenblick nicht arbeitsfähig.

     
    München, den 14.1.2004                   Dr. Max Phillip

     
    Es folgte eine Auflistung der verordneten Medikamente, die eine weitere Seite in Anspruch nahm. Katinka sah Hardo an. Das hier, hätte sie ihm am liebsten ins Ohr geschrien, ist nie und nimmer ein psychiatrisches Gutachten!
    »Der hat einen ganzen Müllsack voller Gift gefressen«, murmelte Hardo.
    Katinka tippte mit dem Zeigefinger auf das Datum. Hardo schüttelte kaum merklich den Kopf. Nicht hier reden, hieß das. Nicht vor den Schülern.
    »Waren die Angaben zu den Tabletten auch verschlüsselt?«, fragte Katinka.
    Hannes schüttelte den Kopf. »Aber das hier.«

     
    Lieber Eugen,
    die Sache stellt kein Problem dar. Die Gegenseite kann nichts beweisen. Du solltest dir keine unnötigen Gedanken machen.
    Hans-Peter

     
    »Wo ist das Original?«, fragte Hardo.
    »Ich habe kein Original gefunden. Nur den chiffrierten Text.«
    »Steht da irgendwo ein Datum?«, fragte Katinka aufgeregt.
    »Nein. Aber es gibt noch ein Dokument.« Hannes blätterte in dem Hefter. »Das war auch codiert.«
    »Wieder kein Original?«, erkundigte sich Hardo.
    Hannes schüttelte stumm den Kopf.

     
    Kulmbach, den 3.4.1990
    Sehr geehrter Herr Kollege, lieber Herr Stolz,
    selbstverständlich sind die Vorwürfe, die zurzeit gegen Ihren Lehrer erhoben werden, haltlos. Ich sehe daher keinen Grund, ihn vom Schuldienst freizustellen. Leider stellt das Beharren Minderjähriger auf Missbrauchsvorwürfen eine Art Rachehandlung dar, wie man oft gesehen hat, insbesondere, wenn die Jugendlichen mit den entsprechenden Erziehern nicht gut auskamen. Im vorliegenden Fall wird es sich so verhalten. Die Zeugin ist nicht glaubwürdig.
    Ich bin sicher, dass wir den Prozess gewinnen werden.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Hans-Peter Kazulé

     
    »Das ist alles?«, fragte Katinka.
    »Mehr habe ich in dem Umschlag nicht gefunden.«
    Hardo räusperte sich:
    »Ihr bleibt hier. Wir sind gleich zurück.« Seine Stimme klang so entschlossen, dass weder Anja noch Hannes zu protestieren wagten.
    Katinka verließ hinter Hardo das Ferienhäuschen. Sie gingen ein Stück in den Wald hinein.
    »Wir sollten die Schauerhütte im Blick behalten«, sagte Hardo. »Nicht dass die beiden Trauerklöße noch auf die Idee kommen, auszukneifen.«
    »Das ist doch alles irrwitzig«, sagte Katinka. »Wo soll Falk das herhaben?«
    »Irgendwas stimmt da nicht«, murmelte Hardo. Schweiß lief ihm übers Gesicht. »Bisher haben wir angenommen, dass Falk während seiner Referendariatszeit in Kulmbach an Kaminskys alte Akte gekommen ist. Aber darin haben weder die Aktennotiz von Kazulé an Kaminsky noch der Brief etwas zu suchen.«
    »Stimmt. Und dieses

Weitere Kostenlose Bücher