Spinnefeind
Vermisstenfall mit glücklichem Ausgang. Weil man sich ein anderes Ende nicht vorstellen wollte. Als ob gutes Zureden jemals etwas geholfen hätte.
Sie achtete auf Zeichen, die ihr verrieten, ob hier in letzter Zeit Leute vorbeigekommen waren. Einmal fand sie einen Knopf. Er könnte zu einer Jeans passen. Behutsam hob sie ihn auf und verstaute ihn in einer Plastiktüte.
Zwischen den Bäumen tauchte ein Haus auf. Es schien Katinka winzig, mehr wie ein Schuppen, in dem ein Förster ein paar Gerätschaften unterstellte. Eine Tür an der Vorderseite, an jeder anderen Wand je ein Fenster. Ein Hexenhäuschen. Die Fensterläden waren verrammelt.
Hatte sie sich getäuscht? Gab es wirklich einen Alfred Wiesmüller, der nun in dieser Kartause friedlich schlief? Der zufällig grüne Augen hatte, wie Hannes?
Sie sah sich um. Hardo war nirgendwo zu sehen. Er ist wie ein Bär in der Wildnis, dachte sie und fühlte eine Welle von Zärtlichkeit heranrollen. Macht sich unsichtbar. Sie hoffte, dass er dicht hinter ihr war und das Haus nun ebenfalls sah.
Auf ihr Klopfen regte sich zunächst nichts. Sie bullerte gegen die Tür.
»Hallo? Hannes? Anja? Ich bin es, Katinka Palfy.«
Ihre Rufe tönten laut in ihren eigenen Ohren. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Irgendwo hörte sie Schritte, und das Handy in ihrer Hosentasche vibrierte.
»Hardo? Was ist?«
»Ich bin hinter dem Haus. Es rührt sich nichts. Halte die Verbindung.«
»Gut.« Katinka hämmerte erneut gegen die Tür. »Hannes! Anja! Macht auf. Es ist wichtig. Keine Panik, niemand weiß, dass ich hier bin.«
Das stimmte nicht ganz, war nur eine dieser Notlügen, di e das Leben leichter machten. Nun hörte sie Geräusche. Flüstern.
»Sie machen einen Fensterladen auf!«, kam es aus ihrem Telefon.
»Nicht türmen!«, schrie Katinka und trat gegen die Tür. »Jetzt vertraut mir doch! Wollt ihr eine Ewigkeit in dieser Bude zubringen, bis ihr Schimmel ansetzt?«
»Anja ist am hinteren Fenster«, hörte sie Hardo flüstern.
»Anja, lass den Quatsch. Wohin willst du abhauen?«, rief Katinka.
Die Tür wurde entriegelt. Das Gesicht eines unrasierten jungen Mannes kam zum Vorschein. Sofort erkannte Katinka seine funkelnden grünen Augen von dem Foto, das Charly Niedorf ihr überlassen hatte. Die beiden sahen sich wirklich ähnlich. Der Sohn war eine gebügelte Kopie seines Vaters. Hinter ihm stand Anja. Ihre Augen waren dunkel vor Schreck.
»Was wollen Sie?«, fragte Hannes verschlafen.
»Ich würde euch bitten, noch einen Kollegen reinkommen zu lassen«, sagte Katinka.
Hannes’ Gesicht verschloss sich sofort.
»Niemand weiß, dass wir hier sind. Ich werde gleich alles erklären.«
Anja fauchte etwas Unverständliches, aber Hannes legte ihr zärtlich die Hand auf den Arm und schob sie zurück in ihr winziges Domizil.
»Komm«, sagte Katinka ins Handy. Neugierig sah sie sich um. Es war stickig in dem einzigen Raum. Eine Glühbirne pendelte an der Decke. In der Ecke stand ein Doppelbett, an der einen Wand war ein Waschbecken angebracht. Es gab nur einen Wasserhahn. Warmwasser schien in der Miete nicht inbegriffen. Eine schmutzverkrustete Doppelkochplatte stand auf dem Boden. Neben der Tür hielt sich ein windschiefer Schrank aufrecht. Wie viel mochte der alte Luzi am Tag für diese Behausung berechnen?
»Wo geht ihr aufs Klo?«, fragte sie.
Anja verschränkte die Arme vor der Brust und blinzelte Katinka zornig an.
»Im Wald vielleicht?«
Hardo klopfte an die Tür und stieß sie auf. Hannes nickte ihm resigniert zu.
»Du bist inzwischen über eine Woche hier, oder?«, fragte Katinka.
Er zuckte die Achseln, und sie sah ihm an, dass das spartanische Leben auf Dauer nichts für ihn war.
»Das ist Kriminalhauptkommissar Uttenreuther von der Kripo Bamberg«, sagte sie. »Hardo, das sind Hannes Niedorf und Anja Spachtholz. Bitte seid nicht wütend, dass ich die Polizei zu euch gebracht habe. Niemand von den Kollegen weiß, dass wir hier sind. Wir haben den Sonntag genutzt, um uns in unserer Freizeit um euch zu kümmern.«
»Wie edel«, giftete Anja.
»Als ihr mich eben hörtet, hattet ihr Bauchgrimmen vor Angst. Du wolltest sogar auf und davon, Anja.« Es ist ja nicht so, dass ich nicht wüsste, was Angst ist, dachte Katinka selbstkritisch. Und wie sie sich anfühlt. Wie sie durch den Körper kriecht und ihn erstarren lässt.
»Das geht Sie alles gar nichts an. Wir brauchen nur noch ein paar Tage. Dann haben wir erreicht, was wir wollen.«
Hardo zog seine
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