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Spinnefeind

Spinnefeind

Titel: Spinnefeind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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gekommen war. Libyen war ein ziemlich hermetisches Land.
    »Also, wir dürfen mit Ihnen rechnen, Frau Palfy?«
    »Erst möchte ich hören, wie Sie sich die Exkursion vorstellen.«
    Von Recken erging sich in mit lahmen Witzchen aufgepeppten Erklärungen, knallte mit der flachen Hand auf die Landkarten und ließ sich von Sina Kaußen Ausdrucke zureichen, auf denen bestimmte Ausschnitte der antiken Römerstadt zu sehen waren.
    »Wir planen eine virtuelle Tour durch Leptis Magna, wie es einmal war«, schwärmte von Recken. »Frederik wird eines Tages sogar römische Legionäre und germanische Sklaven durch die Straßen der Stadt lustwandeln lassen.« Wie zur Bestätigung tippte der Assistent auf ein paar Tasten. »Alles virtuell natürlich. Quasi ein Einblick ins Schlafzimmer des alten Rom.«
    Haha, dachte Katinka. Germanische Sklaven sind bestimmt nicht lustwandelt. Von Recken wühlte in dem Chaos auf seinem Schreibtisch herum. Ein Atlas rutschte herunter. Katinka fing ihn gerade noch auf, was ihr ein amüsiertes Grinsen des Professors einbrachte, das Sina wiederum mit verkniffenen Lippen registrierte. Während die Archäologen über Spitzfindigkeiten beim Erstellen eines Arbeitsplanes für den Aufenthalt in Libyen fachsimpelten, blätterte sie lustlos durch den Atlas. Er zeigte Nordafrika zur Blütezeit der römischen Macht und war mit allerhand Klebezetteln und Lesezeichen verziert. Den Zettel, der zwischen den Seiten steckte, wollte Katinka schon achtlos umblättern, als ihr der Name ins Auge fiel. Scheiße, dachte Katinka. Rasch sah sie sich um. Von Recken erging sich in Selbstgefälligkeiten, sein Assistent machte sich eifrig Notizen, und die hübsche Sina sah ihm dabei über die Schulter. Katinka überflog die Notiz:
    ›Bruder Hans-Peter treffen, 24. Juli.‹
    Bruder? War von Recken Cavaliere ?
    »Haben Sie noch Fragen, Frau Palfy, zu Ihren künftigen Aufgaben im Rahmen des Projekts?«
    »Ich? Äh – nein.«
    »Dann seien Sie so gut und bringen Sie spätestens morgen Ihren Reisepass vorbei. Meine Sekretärin besorgt Ihnen ein Blitzvisum. Die Flugtickets sind bestellt.«
    Assistent, Doktorandin und Professor drehten sich um Katinka wie auf einem Karussell. Sie wollte nicht nach Libyen. Sie stand auf und hielt sich für Sekunden an von Reckens Schreibtisch fest.
    »Na gut«, sagte sie. »Dann bis demnächst.«

     
    Katinka saß im Frühstücksraum und wartete, bis Sina und Frederik und zuletzt von Recken das Büro verließen. In ihrer Hand schmolz ein Twix. Sie warf es weg und folgte von Recken auf die Austraße hinaus. Gegen Mittag herrschte ein ziemlicher Tumult hier draußen. Von Recken setzte sich vor dem Café ›Au 6‹ an einen Tisch und sah aufmerksam in alle Richtungen. Katinka nutzte die Chance, in einem Pulk von Studenten zurück ins Universitätsgebäude zu schlüpfen. Sie stieß die Tür zum Seminarraum 016 im Erdgeschoss auf. Von hier hatte sie freie Sicht auf die Austraße. Sie stellte sich ans Fenster.
    Kurz darauf kam Kazulé. Er walzte seinen massigen Körper auf von Reckens Tisch zu. Schwer ließ er sich fallen und wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn. Von Recken sprang auf und drückte dem Richter herzlich die Hand. Scheißkerl, dachte Katinka. Rückgrat hast du jedenfalls nicht. Kazulé schien ein paar Fragen zu stellen, die von Recken mit eilfertigem Kopfnicken beantwortete. Kazulé insistierte, von Recken bestätigte. Der Richter berührte den Professor am Arm. Beide lachten. Der Kellner brachte eine Flasche Mineralwasser und zwei Gläser Sekt. Kazulé prostete von Recken zu. Wieder Gelächter. Genervt trat Katinka von einem Bein auf das andere. Sie hatte genug gesehen. Kazulé wollte nach seinem Portemonnaie greifen, aber von Recken hatte seines bereits gezückt.
    Jemand trat in den Seminarraum und machte Licht. Katinka zuckte zusammen.
    »Ach«, sagte die Studentin an der Tür. »Ist hier jetzt nicht das Seminar über Chancen und Entwicklungen in der Altertumsforschung?«
    »Nee. Hier ist das Seminar über Korruption und Amtsmissbrauch.« Sie nickte dem Mädchen zu und ging.

     
    Erst in ihrem Büro gelang es Katinka, sich halbwegs zu beruhigen. Sie kochte Kaffee und setzte sich hinter ihren Schreibtisch. Betrachtete die Notizen auf ihrem Block. Rührte gedankenverloren in der Tasse. Jetzt war er da, der magische Moment. Jener Augenblick im Verlauf von Ermittlungen, in dem man spürte, dass sämtliche Informationen auf dem Tisch lagen. Dass man die Teile nur zusammensetzen

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