Spinnefeind
hin. Du musst das Visum ja nicht nutzen.«
»Sie fliegen morgen in einer Woche ab, Hardo!«
Er sah aus dem Fenster.
»Wir haben auch gearbeitet«, sagte er. »In München gibt es keinen Psychiater namens Max Phillip. Es hat nie einen gegeben.«
»Also wirklich ein Fake!«
»Der Gutachtentext wird nun von einem Linguisten unter dem Aspekt geprüft, was seine Struktur und der Duktus über den Verfasser aussagt. Letztlich haben wir nichts in der Hand.«
»Aber Falk hatte auch nichts in der Hand. Es sei denn, er hätte die Originale gehabt.«
»Wir haben nichts gefunden«, sagte Hardo. »Obwohl wir seine Wohnung geröntgt haben. Was nichts heißt. Vielleicht hatte er Originale, die er aber geschickt zu verstecken wusste. Wo auch immer.«
»Nehmen wir an, er hätte die Originale besessen. Dann wäre es sehr unvorsichtig, sie in einem Umschlag im Lehrerzimmer zu hinterlegen, wo zumindest jeder Kollege zugreifen konnte. Außerdem wusste er doch, dass beim Schulfest alle Türen offen stehen.«
»Nächstes Problem: Wir haben die Drohanrufe gegen dich zurückverfolgt. Sie gingen in Kulmbach von einem W-LAN-Anschluss ab. Der registrierte Nutzer hat von nichts eine Ahnung. Ein Rentner, der nicht einmal wusste, dass sein Enkel ihm eine drahtlose Internetverbindung eingerichtet hat. Die Spur verliert sich.«
»Scheibenhonig.«
»Außerdem sagt mir der Techniker, dass moderne Stimmenverzerrer keinerlei Rückschlüsse auf das Geschlecht der Anrufer zulassen. Im Internet kann man sich die Software kostenlos herunterladen. Die Programme sind kinderleicht zu installieren.«
»Was ist mit den Anrufen, die bei Hannes reinkamen?«
»Wir sind dran.« Er nahm ein Papier in die Hand und wedelte sich damit Luft zu. »Immerhin habe ich die Möglichkeit, die Personalakten im Wieland-Gymnasium in Kulmbach einzusehen. Heute Abend fahren wir hin. Ich habe mit der Sekretärin einen Termin gemacht.«
»Wir?«, fragte Katinka perplex.
»Wir.«
»Und – sonst noch was?« Das musste sie erst mal verdauen.
»Wir haben Falks letzte Tage komplett skelettiert. Genauso bei Wanjeck. Da kommt nichts zum Vorschein, was uns in diesem Fall helfen würde! Nichts, um den Hebel anzusetzen.« Hardo zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Katinka. Kein Schreibtisch stand zwischen ihnen. »Ich kann in der Glücksrittersache nichts unternehmen. Ich kann nirgends etwas unternehmen, weil unser Kenntnisstand nicht über Vermutungen hinausgeht. Ich habe Anschuldigungen und Wahrscheinlichkeiten genug gehört. Damit kann ich keinem Staatsanwalt kommen!« Er wies auf seinen Schreibtisch. »Außerdem ist die Einbruchsserie im Haingebiet außer Kontrolle geraten.«
»Was für eine Einbruchsserie?«
»Villen werden aufgebrochen, während die Bewohner nachts friedlich schlafen. Meistens lassen die Eindringlinge Computer, Kameras oder teure Fernsehgeräte mitgehen. Letzte Nacht wieder, aber der Bewohner wachte auf, kam den Einbrechern in die Quere und wurde angeschossen. Er liegt noch im Krankenhaus. Zwei meiner Leute, die an den Fällen Wanjeck und Falk dran sind, müssen die Pferde wechseln. Wir anderen können 24 Stunden am Tag arbeiten und kommen doch nicht mit allem hinterher.«
»Außerdem lässt der Staatsanwalt dich nicht gegen die Cavalieri ermitteln. Aber die Ritterspur ist die stärkste, die wir haben!«
Hardo lächelte schwach.
»Vorsichtig sein, Palfy.«
»Sowieso, Kommissar. Bis heute Abend.«
Katina rief von Recken an und legte sofort auf, als er sich meldete. Sie musste warten, bis er sein Büro verließ. Im Internet rief sie das Vorlesungsverzeichnis auf. An diesem Nachmittag hatte von Recken Oberseminar von vier bis sechs. Na gut, dachte Katinka. Dann also zwischen vier und sechs.
Sie wählte Ljubovs Nummer. Es war an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. »Besser eine falsche Entscheidung als keine Entscheidung«, murmelte sie. Soweit sie sich erinnerte, stammte diese Erkenntnis von Bismarck. Der musste es gewusst haben.
»Hallo?«, tönte Ljubovs rauchige Stimme aus dem Handy.
»Hier ist Katinka.«
»Habe ich auf dem Display gesehen. Warum rufst du an?«
»Können wir uns treffen?«
»Kommt darauf an«, sagte Ljubov und hustete, »ob du deinem Geliebten unseren Treffpunkt nennst.«
»Wo?«
»Im Dom. In einer Stunde.«
Katinka überlegte fieberhaft. Also war Ljubov in Bamberg oder wenigstens an einem nicht allzu weit entfernten Ort. Der Dom war natürlich ein günstiger Treffpunkt. Bei all den Touristen und
Weitere Kostenlose Bücher