Spinnefeind
wurde.
»Sie haben die Jahresberichte des Wieland-Gymnasiums studiert«, fuhr Hardo fort. »Die hat Ihnen wiederum Ihre quirlige Putzfrau besorgt. Dabei ist Ihnen aufgefallen, dass Jens Falk nur ein halbes Jahr Lehrer am Wieland-Gymnasium war und mittlerweile in einer anderen Stadt arbeitete. Auf diese Weise konnten Sie bequem in Kulmbach Regie führen, während es in Bamberg knallte.«
Rita stand auf.
»Genug. Raus.«
»Falk sollte die Bombe hochgehen lassen. Die gefälschten Papiere, das Gutachten, die Aktennotiz wären jedem seriösen Redakteur einer Zeitung ein Dorn im Auge gewesen. Journalisten überprüfen ihre Quellen«, sagte Katinka. »Aber wenn eine Schulklasse sich die Erkenntnis, dass ein hoher Beamter im Ministerium einen sexuellen Missbrauch begangen hat, quasi erarbeitet, dann macht die Story ganz schnell die Runde. Sie sickert in die Familien und Freundeskreise. Ist nicht mehr aufzuhalten. Die Schüler können doch gar nicht beurteilen, dass Gutachten und Notizen gefälscht sind. Sie behaupten zu Hause, es gebe Beweise für Kaminskys Verbrechen. Der Hydra wächst Kopf um Kopf. Die kann niemand mehr abschlagen. Kaminsky wäre erledigt.«
»Sie haben Falks Zweitschlüssel entwendet, sind zu ihm in die Wohnung und haben die Klassenarbeiten weggenommen«, sagte Hardo. »Sie wollten den Druck erhöhen, damit er mitmachte.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, sagte Rita. »Ich verwahre mich gegen Ihre Unterstellungen und Einschüchterungen und werde mir einen Anwalt nehmen. Guten Abend.«
Sie drehte sich um und stolzierte davon, stieß die Pendeltür zur Küche auf und verschwand. Hardo warf zehn Euro auf den Tisch.
»Einladen lassen wir uns von der nicht«, bemerkte er.
Sie fuhren über den Jura nach Bamberg zurück. Die Sonne stand tief am Himmel, und der sommerliche Duft schwebte durch die offenen Fenster ins Auto.
Es ist toll, direkt nach Westen zu fahren, dachte Katinka. Mitten in die untergehende Sonne hinein. Sie stellte sich vor, der Sonne einmal um den Erdball zu folgen. Zu träumen und zu vergessen. Aber natürlich ging das gerade jetzt nicht. Sie mussten den Fall zu Ende bringen und ihre glühenden Gedanken abkühlen.
»Was ist dein Eindruck?«, fragte sie.
»Wenn wir die Nebengleise zunächst außer Acht lassen, würde ich für folgende Variante stimmen«, antwortete Hardo. »Rita hat Falk als denjenigen ausgeguckt, der ihren miesen Racheplan verwirklichen sollte. Aber Falk ist ein ängstlicher Typ. So leichtfüßig macht er nicht mit, vor allem dann nicht, wenn er damit seine berufliche Zukunft aufs Spiel setzt.«
»Klar.«
»Deshalb hat Rita den Druck erhöht. Sagen wir mal so: Zuerst versucht sie die Sexmasche. Sie sieht gut aus …«
»He!«
Hardo sah zu Katinka hinüber.
»Ich dachte, eine moderne Frau hält das aus, wenn andere Frauen als gutaussehend beschrieben werden?«
»Es ist aber was anderes, wenn du dieses Urteil abgibst«, sagte sie und boxte ihm die Schulter. »War ein Witz.«
»Wäre ich nicht draufgekommen.«
»Die emotionale Schiene hat aber nicht funktioniert. Selbst einer Frau, die er begehrt, opfert ein Jens Falk nicht seine Karriere. Daher wechselte Rita die Tonart.«
»Sie klaute die Klassenarbeiten? Meinst du wirklich?«
»Wir fantasieren nur. Aber ich halte es für möglich. Sie hätte das Zeug dazu, sich nachts in eine fremde Wohnung einzuschleichen und Klassenarbeiten zu stehlen.«
»Aber woher wusste sie, dass Falk welche zu Hause liegen hat?«, wandte Katinka ein. »Wie kam sie ins Haus? Es wurden doch keine Einbruchsspuren gefunden!«
Hardo lachte auf.
»Sie können miteinander telefoniert haben. Falk hat über die vielen Klassenarbeiten geklagt. Wir haben Falks Telefongespräche durchgesehen. Wenn wir Ritas Nummer darauf finden, wissen wir, was Sache ist. Verdammter Mist, dass ich nicht vorher daran gedacht habe.«
»An Rita hat niemand gedacht«, sagte Katinka.
»Eben. Sie fühlt sich sehr sicher. Mit Fug und Recht. Wenn sie durchhält, wird niemand ihr etwas nachweisen können. Nehmen wir an, die beiden hatten eine unverbindliche Affäre. Kann Falk Rita den Schlüssel zu seiner Wohnung anvertraut haben?«
»Warum nicht.«
»Aber«, sagte Hardo, »wir werden es nie erfahren, denn wenn er ihr seinen Schlüssel gegeben hat, wird sie ihn längst in die Regnitz geworfen haben.«
»Aber die Schülerakten, die in Bamberg verschwunden sind? Die gehen auch auf Ritas Konto?«
Hardo knurrte etwas.
»Das liegt nicht gerade auf der
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