Spinnefeind
Eltern haben ständig Krach. Meine Mutter wollte sich schon lange scheiden lassen. Aber seit einiger Zeit war keine Rede mehr davon.«
Dann hat sie rausgekriegt, dass ihr Mann eine Geliebte hat. Und sie wartet galant ab, bis er die Scheidung will, dachte Katinka und unterdrückte ein hämisches Grinsen. Sie hatte genug Fälle dieser Art bearbeitet. Argwöhnische Ehepartner brauchten Privatdetektive.
»Falk hat mich mal darauf angesprochen«, rückte Valente raus. »Auf meine Eltern. Ich hatte den Eindruck, ich tue ihm leid. Das war erniedrigend.«
Schweißtropfen kitzelten Katinkas Nacken.
»Hat dich das genervt? Dass Falk Bescheid wusste?«
Er zuckte die Achseln.
»Beim nächsten Streit mit deinem Vater hast du was verlauten lassen, stimmt’s?«
»Nein!«, sagte er trotzig. »Habe ich nicht. Tschüss.« Er wandte sich um und trabte davon.
Also hast du, dachte Katinka. Sie blickte in das dampfende Dickicht des Waldes. Der Hain wirkte hier nahezu undurchdringlich. Das Unterholz kochte in der Hitze. Zweige knackten. Schüchtern piepten ein paar Vögel. Vom Hainbad her tönte die Ausgelassenheit der Badegäste.
Ich spinne, dachte Katinka, aber ich sehe ein Augenpaar auf mich gerichtet. Sie kniff die Lider zusammen und spähte ins Gestrüpp. Ich sehe, nein ich fühle jemands Augen.
Sie schloss ihr Rad auf. Das ging nicht so weiter mit den Kerlen aus dem Boxklub. Doch die Anzeige zurückzuziehen, kam gar nicht infrage. Entschieden trat Katinka in die Pedale. Sie würde sich etwas einfallen lassen.
Den Rest des Tages verbrachte sie mit zermürbenden Überlegungen. Sie schrieb Seiten in ihrem Notizblock voll, ohne der Geschichte ein anderes Gesicht geben zu können. Sie lief durch die Stadt, um auf andere Gedanken zu kommen, bevor sie sich hinter ihren Rechner setzte. Sie versuchte, eine Excel-Datei herzustellen, in der sie ihre unterschiedlichen Schlussfolgerungen miteinander verrasterte, scheiterte jedoch an ihrer eigenen Unlust. Um sich abzulenken, naschte sie eine ganze Tüte Gummisaurier. Ihre Zähne fühlten sich danach an, als seien sie mit einer Schicht Kleister überzogen. Hardo rief an.
»Freu dich, du Christenheit«, sagte er. »Ritas private Nummer, der Festnetzanschluss des Restaurants und ihr Handy stehen viele Male auf Falks Telefonliste!«
»Ja!« Katinka riss den freien Arm hoch wie ein Fußballfan.
»Spar dir die Jubelrufe. Das Motorrad in der Tiefgarage ist nicht Ritas Motorrad.«
Katinka brauchte einen Moment, bis sie schaltete.
»Das heißt, wir haben wieder nichts?«
»Genau. Rita besitzt keine Motorradkleidung außer Lederhose und Lederjacke.«
Katinka fluchte.
»Nicht!«, warnte Hardo. Sie hörte sein resigniertes Lachen. »Fluchen macht krank.«
»Auch schon egal. Hardo, wir müssen endlich auf Kaminsky und Kazulé setzen.« Im Hintergrund hörte sie aufgeregte Stimmen.
»Ich rufe zurück«, sagte Hardo rasch und legte auf.
Katinka versuchte, Kaminsky im Ministerium in München zu erreichen. Dr. Kaminsky sei gegenwärtig nicht im Haus, wurde ihr gesagt. Genervt legte Katinka das Telefon weg.
Katinka stand in ihrer Küche und schnippelte Pfirsiche und Birnen. Sie brauchte etwas Gesundes für Zwischendurch, um die Nebenwirkungen von fränkischen Brotzeiten und Bier zu dämpfen. Dazu hörte sie eine CD mit Astor Piazzollas Tangostücken. Die Melancholie der Musik passte zu ihrer Stimmung. Sie goss Joghurt über den Obstsalat. Hardo hatte eine SMS geschickt, dass es spät werden würde. Kennen wir ja, dachte Katinka, und an diesem Abend fühlte es sich traurig und deprimierend an. Sie drückte mitten in ›Balada para un loco‹ auf ›Stop‹, weil das Handy klingelte. Unbekannter Anrufer. Bekanntes Herzklopfen.
»Valente hier.« Seine Stimme klang stockend, als wüsste er nicht, ob er noch wütend sein dürfte oder ob sich das nicht gehörte, schließlich war er wohlerzogen. »Haben Sie Zeit? Ich muss Sie sofort sprechen.«
»Ich bin zu Hause. Amalienstraße, Ecke Herzog-Max-Straße, das gelbe Backsteinhaus.« Noch nenne ich diese Bude hier ›zu Hause‹, dachte sie und fand sich mit dem Telefon in der Hand immer noch dastehen und aus dem Fenster starren, als Valente klingelte.
»Ich hab’s!«, rief er keuchend, während er die Treppe zu Katinkas Wohnung hinaufrannte.
»Was?«
»Ich habe die Chiffre geknackt.« Er lachte breit. »Die aus Falks Hosentasche. Super, oder?«
Mein Gott, das sind wirklich noch Kinder, dachte Katinka. Er freut sich, als hätte er bei
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