Spinnefeind
Hand, oder?«, fragte Katinka. »Und was ist mit Doris Wanjeck?«
Hardo steuerte den Golf den Berg nach Tiefenellern hinunter. Katinka hatte keine Ahnung, wie sie hier gelandet waren.
»Kellerbesuch?«, fragte Hardo. »Der Bierkeller hier ist berühmt.«
»Gute Idee.«
Während sie in den Biergarten hinaufstiegen, sagte Katinka:
»Könnte so gelaufen sein: Rita beobachtet Falk eine Weile. Sie will herausfinden, ob Falk so funktioniert, wie sie sich das denkt. Am 16. Juli sieht sie zu, wie Falk und Doris Wanjeck streiten und Doris ihrem Ex eine klebt. Vielleicht hat Doris auch bemerkt, dass Falk eine andere hatte.«
Mit Bier und Brotzeitteller bewaffnet, suchten sie sich einen freien Tisch. Hier am Berg wurde es kühl. Katinka legte den Kopf in den Nacken und sah in den samtblauen Himmel hinauf.
»Hat Rita die Killer bestellt, was meinst du?«
Hardo schüttelte den Kopf.
»Nein. Warum hätte sie das tun sollen?«
»Also hängen wir fest.« Katinka runzelte die Stirn und trank ein paar Schluck e Bier. »Wie passt von Recken in dieses Bild? Warum soll er mich im Auftrag von Kazulé aus dem Weg räumen?«
Hardo leerte die Hälfte seines Kruges in einem Zug.
»Lass uns annehmen, dass es zwei Stränge gibt, deren Ursachen nichts miteinander zu tun haben, sich aber im Laufe der Geschehnisse verw ickelt haben. Lass uns annehmen, dass Kazulé Wind bekommen hat von Falks Plänen.«
»Durch Valente!«, rief Katinka.
»Der Sohn hasst seinen Vater zwar«, sagte Hardo, »aber gerade deshalb wird er nach Wegen suchen, ihm seine Verachtung zu zeigen. Wenn X etwas weiß, wovon Y keine Ahnung hat, fühlt sich X mächtig, richtig?«
»Wir müssen mit Valente reden.«
»Aber mit allergrößter Vorsicht! Nicht, dass der Junge sich in Gefahr bringt«, warnte Hardo.
»Gesetzt den Fall, Valente hat seinem Vater gesteckt, was Falk vorhat – dann musste Kazulé aktiv werden.«
»Hat der alte Kazulé dich nicht zusammen mit seinem Sohn gesehen?«
»Also hat Kazulé das Killerkommando unter Vertrag genommen«, kombinierte Katinka.
Voller Heißhunger stürzte sie sich auf Schinken und Presssack. Hardo lächelte über ihren Appetit, während er sein Bier leerte. Er stand auf, um ein zweites zu holen.
»Weißt du, welcher Verdacht mir gerade kommt?«, fragte Katinka, als er zurückkam.
»Welcher?«, erkundigte sich Hardo.
»Du musst herausfinden, ob Rita ein Motorrad hat.«
»Habe ich schon. Sie hat eines.« Als Katinka ihn erstaunt ansah, lachte er. »Als wir vorhin aus dem Restaurant kamen, fiel mir ein Parkplatz mit der Aufschrift ›privat, Steakhaus‹ auf. Dort parkten ein Porsche und ein Motorrad.« Er legte sein Handy auf den Tisch. »Ja. Eine Honda. Ich maile das Foto jetzt den Kollegen. Sie sollen abgleichen, ob Ritas Motorrad dasjenige sein könnte, mit dem Wanjeck in der Tiefgarage aufgelauert wurde.«
»Und dann haben wir sie?« Katinka schmierte Butter auf ihr Brot. Ihr zitterten die Finger. Da war der Durchbruch. Winzig klein, nur ein Riss in der Fassade. Groß genug, um anzusetzen.
»Möglicherweise«, sagte Hardo.
23. Roxy Music
Wenige Minuten vor acht am nächsten Morgen rief Katinka bei Märthe Stürmer im Paul-Celan-Gymnasium an.
»Frau Palfy? Ach … Sie meinen, wie der Chef sich exakt ausdrückte, als er die Akten haben wollte, die vorher Falk …«
Im Hintergrund hörte Katinka das Crescendo eines Schulmorgens kurz vor den großen Ferien. Sie wartete mit trockenem Mund.
»Ich weiß zwar nicht, warum Sie das wissen wollen«, sagte die Sekretärin gehetzt, »oder was Ihnen das helfen soll. Studiendirektor Kornbrink sagte in etwa: ›Bringen Sie mir die Akten, die der junge Kollege zur Einsicht hatte.‹«
»Danke. Das hilft mir weiter«, sagte Katinka.
Eine Weile betrachtete sie ihre Hände. Sie waren gebräunt, wenigstens eine gesunde Hautfarbe hatte sie durch ihre Ausflüge ins Hainbad zustande gebracht. Wann habe ich das letzte Mal Urlaub gemacht, dachte Katinka. Flotte Schr itte kamen die Hasengasse hinunter. Sie sah auf. Seit sie wusste, dass ihre drei Peiniger wieder draußen in der Welt ihr Unwesen trieben, schloss sie die Tür zur Detektei immer ab.
Aber der Mann ging vorbei. Einer im Anzug mit Aktenmappe und Handy am Ohr. Sie stöhnte. Ich werde paranoid, dachte sie. Charly Niedorf rief an und hielt sie über eine halbe Stunde auf, um seine Sorgen bei jemandem abzuladen. Katinka bewahrte die Nerven und versicherte fortwährend, sich bei Niedorf zu melden, sobald sie etwas von
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