Spinnefeind
ist verschwunden.« Sie wies auf einen Aktenschrank. »Hier, der ist nicht verschlossen, da ist nichts Besonderes drin. Eben ein paar Sätze alter Jahresberichte und Ordner mit Pressemeldungen über die Schule. Und Kleinkram. Vergessene Federballschläger und so.«
»Die Jahresberichte sind nicht wieder aufgetaucht?«, fragte Hardo.
»Nein. Könnte aber auch sein, dass der Chef sie einem neuen Lehrer zur Ansicht mitgegeben hat. Aber ehrlich gesagt, er würde mir Bescheid geben, wenn er was aus dem Schrank nimmt.«
»Ach, Sie sind zu zweit?« Rita Bregovi ć führte Katinka zu dem Tisch neben der Bühne. »Heute Abend haben wir keine Live-Musik. Wird also ruhig sein. Was möchten Sie trinken?«
»Mineralwasser«, sagte Hardo. »Zwei.«
»Und zwei Steaks?« Rita lächelte strahlend. Ihr Piercing blitzte.
»Im Augenblick noch nicht«, sagte Hardo. »Wir wollen uns mit Ihnen unterhalten.«
In seinen Worten schwang ein bedrohlicher Unterton mit. Ritas Augenbrauen zuckten, aber ihr Lächeln blieb.
»Gern. Der Kellner bringt gleich Ihre Getränke.« Sie machte ein Zeichen zum Tresen. »Hatten Sie schon Gelegenheit, die Stadt anzusehen? Sie ist wirklich ein Schmuckkästchen.«
Weder Katinka noch Hardo antworteten.
»Worum geht es diesmal?«, fragte Rita, bevor die Pause peinlich wurde.
»Schildern Sie uns Ihre Beziehung zu Jens Falk.«
Rita stutzte.
»Zu wem?«
Hardo wartete ab. Katinka starrte auf Ritas Halskette. Sie bestand aus Moosgummi. Als wäre sie in einem Kindergarten gebastelt worden.
»Entschuldigen Sie«, sagte Rita, »aber ich kenne keinen Jens Falk.«
»Sie haben ihn nicht zufällig von seiner Schule in Bamberg abgeholt?«, fragte Hardo.
»Bitte?« Rita zischte vor Empörung.
»Man hat Sie gesehen«, sagte Hardo. »Frage Nummer zwei: Wobei sollte Falk Ihnen helfen?«
Rita schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Der Kellner, der die Getränke brachte, sah sie argwöhnisch an.
»Ich muss mir das nicht anhören.«
»Doris Wanjeck?«
»Wer soll das sein?« Kaum merklich wurde Rita Bregovi ć unsicher. Ihre Lippen zitterten ganz leicht.
»Ist Ihre Putzfrau hier? L ena Schubransky?«
Rita rückte an ihrem Glas.
»Natürlich nicht. Sie putzt morgens. Wenn wir mittags öffnen, muss alles picobello sein.«
»Aber sie ist hier bei Ihnen als Reinigungskraft angestellt?«
»Ja.«
»Und sie hat mehrere Jobs?«
»Das haben sie alle. Von den zwei Stunden Arbeit im Restaurant kann sie kaum leben.«
»Aber Frau Schubransky arbeitet gut, und Sie sind mit ihr zufrieden?«
»Sicher.«
»Sie ist zufrieden, in Ihrem Restaurant eine Anstellung zu haben?«
»Das nehme ich an. Hören Sie, worauf wollen Sie mit Ihrer Fragerei hinaus?«
»Frau Schubransky arbeitet zusätzlich im Wieland-Gymnasium als Reinigungskraft?«, übernahm Katinka.
»Ich denke, ja.«
»Sie sind als Chefin in Ordnung. Fair und offen, oder, Frau Bregovi ć ?« Gegenüber Schmeicheleien sind alle empfänglich, dachte Katinka, während sie Rita beobachtete. Sie fühlte Hardos graue Augen auf sich. »Frau Schubransky schuldet Ihnen was. Manche Chefs sind nämlich richtige Sadisten.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Sie haben Lena Schubransky aufgefordert, die Akte von Eugen Kaminsky zu kopieren!«
»Was? Nein!« Rita lehnte sich zurück. »Was wird das für ein Spielchen? Ich habe es nicht nötig, mich von Ihnen in diesem Ton belästigen zu lassen. Bitte gehen Sie. Der Sprudel geht aufs Haus.«
»Wir können Sie auch zu uns bitten«, erwiderte Hardo und zog seinen Dienstausweis hervor.
Rita wird ihm das nicht abkaufen, dachte Katinka. Dazu ist sie zu schlau.
»Sie haben sich Jens Falk ausgesucht, damit er Ihnen hilft, Kaminsky zu erledigen.«
Rita schüttelte nur den Kopf.
»Seitdem Kaminsky Sie missbraucht hatte, trachteten Sie nach Rache. Sie hatten Zeit. Sie brauchten einen günstigen Zeitpunkt, zu dem Kaminsky am tiefsten fallen würde.«
»Gehen Sie«, sagte Rita tonlos.
»Gleich. Sie haben erfahren, dass Kaminsky Chancen auf ein Ministeramt hat. Nun brauchten Sie die Akte. Und einen, der die Geschichte platzen lässt.«
Rita schwieg.
»Deshalb haben Sie ein wenig nachgeholfen. Sie legten in die Dokumentenmappe ein psychiatrisches Gutachten. Nur leider«, sagte Hardo, »haben wir nach drei Minuten gewusst, dass es gefälscht ist. Sie haben nicht viel Sorgfalt walten lassen.«
Rita blieb standfest. Sie sah Hardo an, als könne sie kaum glauben, dass ein derartiger Einfaltspinsel von Steuergeldern bezahlt
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