Spinnen füttern
fuhr zu ihm und wartete, bis er aus dem Haus kam. Obwohl es längst dunkel war, trug er eine Sonnenbrille. Er stieg hinten ein und sagte kein Wort. Ich beobachtete ihn im Spiegel, wartete auf seine Anweisungen. Er winkte nur, ich fuhr los. Am Ende der Straße sagte er, links, dann rechts, in Richtung Hafen. Er schwieg lang, schließlich sagte er: Du kannst heute früher nach Hause, es ist nur ein kurzer Termin.
Gut, sagte er, als wir im Hafen waren. Park dort hinter dem Container. Wir blieben sitzen, warteten und sahen in den Spiegel. Ein großer Wagen erschien und hielt neben uns. Zwei Männer saßen darin, ich gab mir Mühe, sie nicht anzusehen. Je weniger ich weiß, desto sicherer bin ich, dachte ich.
Bleib hier, sagte der Dealer, ich bin gleich wieder da.
Ich stellte den Motor ab und nahm mein Buch hervor. Ich wollte lesen, aber das Licht reichte nicht. Ich traute mich nicht, die Deckenleuchte einzuschalten. Aus Vorsicht, aus reinem Überlebenswillen suchte ich die Dunkelheit. Fünfzehn Minuten bleibe ich, dachte ich, dann fahre ich nach Hause. Der Himmel war bedeckt, der Mond nicht zu sehen. Nur ein Zaun trennte mich vom Ufer des Flusses. Ich höre sowieso nur selten Radio, wenn ich warte, außerdem belastet es die Batterie. Einige von den Spinnen tun den ganzen Tag nichts anderes, als herumzufahren und diese politischen Talk-Runden zu hören. Nach einigen Jahren fangen sie an, sich über die Verschwendung von Steuergeldern zu beklagen und über die faulen Ausländer. Dabei sind sie selbst welche. Und sie zahlen natürlich überhaupt keine Steuern, aber sie laufen wie fette Steuerzahler rum, wie alte Männer mit großen Regenschirmen und noch größeren Ansprüchen, die sie für gerechtfertigt halten, weil sie mal im Krieg gewesen sind und die Hälfte ihres Geldes an den Staat abgegeben haben. Einige dieser Taxifahrer sind unglaublich aufgeblasen. Es macht ihnen Spaß, den Radiostimmen in den eigenen Köpfen zu lauschen.
Nummer 115 war mal im Bolero, er stand plötzlich vom Tisch auf und ging zu dem Münztelefon, das im Flur hing, und er wählte und wählte, bis er endlich durchkam. Die Kellnerin stellte das Radio lauter, die Gäste wurden ganz still. Ein erzkonservativer Radiomoderator piepste mit seiner Kleinmädchenstimme, er unterbrach 115 und korrigierte erst einmal sein Englisch. Von wo rufen Sie bitte an?, fragte er. Und dann: Oh, tut mir leid, Kumpel, ich dachte, Sie rufen aus Indien an. Wer hat Sie denn bei uns reingelassen? Der ganze Saal brach in Gelächter aus, alle fanden den Witz sehr gut, nur ich, ich verließ das Café, setzte mich in meinen Wagen und weinte bitterlich.
Hinter mir leuchtete ein Scheinwerferpaar auf. Erst dachte ich, es sei der Dealer, der mich aus meinen Gedanken reißen wollte, doch dann klopfte ein uniformierter Wächter an meine Scheibe. Im Spiegel sah ich den Umriss seines Partners, er stand weiter hinten auf der anderen Seite des Wagens. Ich ließ die Scheibe runter und achtete darauf, dass meine beiden Hände sichtbar auf dem Lenkrad lagen.
Was machen Sie hier? Das ist Privatgelände.
Und wem gehört es?, fragte ich, einfach so.
Es gehört der Hafenbehörde. Da hinten steht ein Schild. Nach 20 Uhr darf hier niemand mehr rein.
Das Schild ist wohl nicht beleuchtet, sagte ich, sonst hätte ich es bestimmt gesehen.
Sie dürfen hier nicht stehen, sagte er. Ihre Papiere, bitte.
Ich hatte ihm gerade meinen Führerschein gegeben, als ein weiteres Auto auftauchte. Der Dealer stieg aus, kam zu uns und sagte: Der Mann gehört zu mir.
Der Wächter gab mir sofort die Papiere zurück, und der Dealer stieg zu mir in den Wagen. Ich wollte gerade losfahren, als er mich bat zu warten. Er ließ seine Scheibe herunter und rief den Mann. Donnerstag, sagte er. Der Wächter nickte kurz und ging.
Fredao
Als ich noch bei Otto und Aisha wohnte, kam manchmal Linda vorbei und lieferte Tammer ab, der bei uns übernachtete. Manchmal blieb er eine Woche oder länger. Er war ein ruhiger Junge, er nahm die Dinge, wie sie kamen, und beklagte sich selten. Es schien ihm nichts auszumachen, dass er von Fremden umgeben war. Wenn seine Mutter die Wohnung verließ, sah er ihr noch eine Weile nach und wandte dann den Blick ab. Einmal verkleidete ich mich als Clown, um ihn aufzuheitern, ich jonglierte und balancierte mit einem Regenschirm auf der Sofalehne. Ich zog Münzen aus seinem Ohr, trank Wasser und gurgelte ein Lied. Das Kind lachte und sagte: Mehr!
Eines Tages ging Otto los, um Linda zu
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