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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Wagen zurück. Den Psychiater sah ich nicht, nur Otto lehnte an der Tür und rauchte.
    Wo ist er?, fragte ich.
    Er ist verschwunden, sagte Otto. Er macht einen Spaziergang. Hier, das Geld für die Fahrt. Ich habe dafür gesorgt, dass er bezahlt. Und mach dir keine Sorgen, ich habe mich vor das Nummernschild gestellt, als er ausgestiegen ist, er hat nichts gesehen.
    Auf dem Rückweg in die Stadt trank Otto aus einer Flasche Bourbon, die er mitgebracht hatte, und reichte sie mir, ich nippte nur daran.
    Otto trank und rauchte, er sagte, Fly, alter Kumpel, nennen wir diese Nacht die Rache des Narren . Er hat gezittert, Doctor Evil hat gezittert … Ich habe ihn gezwungen, laut vorzulesen, er stotterte, in seinem Blick lag blanke Angst. Ich ließ ihn alles sechsmal wiederholen, über das Leben der Prostituierten, über die Politik der religiösen Rechten und ihre Auswirkungen auf die Armenviertel … der Typ bettelte um sein Leben … hab ihm die Knarre in den Mund geschoben und da habe ich gedacht, Na, Doktor wie fühlt sich das jetzt an? Du hast mir monatelang alle möglichen Pillen in den Mund gestopft … Als ich den Pistolenlauf rauszog, fragte er, ob er sein letztes Gebet sprechen müsse. Noch nicht, antwortete ich, du bist noch nicht fertig. Lies weiter … Er schämte sich regelrecht, die Sätze über die Prostituierten vorzulesen … Fly, ich sage dir, da draußen herrscht Krieg, aber nicht der Krieg zwischen Juden und Moslems, Hindus, Kreuzzüglern und Konfuzius. In der entscheidenden Schlacht treffen die, die den Körper lieben und ehren und befreien, auf die anderen, die ihn hassen. Fahr mal hier ran, Fly, ich brauche was zu trinken. Hast du nicht Lust mitzukommen, du solltest dir mal ansehen, was an Karneval hier los ist. Komm, trinken wir einen, auf den kleinen Sieg, den die Geknechteten heute errungen haben. Der Clown sah mich mit leuchtenden Augen an, er war längst betrunken.
    Heute nicht, sagte ich. Ich muss fahren, bis ich die Pacht reingeholt habe und das Benzin. Ich muss noch tanken. Du weißt ja, es ist die Jahreszeit, die uns in den grünen Bereich bringt.
    Klar, Fly, du musst halt sehen, wie du durchkommst, sagte Otto und stieg langsam aus dem Wagen.
    Otto, rief ich, vielleicht solltest du dich eine Weile ausruhen, bei mir kannst du immer unterkommen. Besuch mich einfach, du kannst bleiben, solange du willst.
    Es ist ein Kampf, Fly, daran wird sich nie etwas ändern. Aber vergiss nicht, dass du mein Bruder bist und dass ich dich liebe.
    Pantomime
    Nach der Schicht wartete ich auf Zainab, sie kam aber nicht herunter. Ich hatte sie seit mehreren Tagen nicht gesehen. Ich klopfte an ihre Tür. Sie öffnete einen Spaltbreit und sagte: Jetzt nicht, Fly. Ich habe Besuch. Geh weg. Fahr mit deinem Auto oder so. Aber warte mal kurz. Eine Frau hat gestern Abend an deine Tür getrommelt. Sie hat geheult, sie war sehr aufgeregt. Sie hat eine Lieferung erwähnt oder eine Halskette.
    Mary, sagte ich. Das wird Mary gewesen sein.
    Gut, dann geh jetzt einfach zu Mary, sagte Zainab und schlug mir die Tür vor der Nase zu.
    Ich fuhr zu Mary, sie war in eine Wohnung gleich am Markt gezogen. Sie war nicht zu Hause. Stundenlang wartete ich, aber sie kam nicht.
    Gleich gegenüber war eine Bar, die Tür stand offen. Ich setzte mich in den Wagen und betrachtete den runden Rücken eines Mannes, der vor einem einarmigen Banditen saß. Er rauchte gegen den Bildschirm, auf dem Herzen verschwanden, Pik-Asse und Früchte wirbelten. Das ganze Viertel war von diesen Spielhöllen verseucht, von Leihhäusern, verdreckten Waschsalons, bösartigen Hunden. Doch selbst hier, auf der heruntergekommenen Seite von Downtown, hält einmal im Jahr der Karneval Einzug, an den Nachmittagen kommen die Leute aus ihren Häusern und beginnen, auf der Straße Musik zu machen, sie trinken und tanzen. Der Karneval ist überall, selbst in den Markt- und Armenvierteln.
    Nach einer Weile ging ich zu einer Telefonzelle und rief Otto an, aber er nahm nicht ab.
    Ich kehrte zu meinem Wagen zurück. Wartete auf Mary. Zwei Männer fragten, ob ich sie fahren könne. Der Erste war ein Pantomime, er zeigte auf den Beifahrersitz. Ich schüttelte den Kopf und zeigte ihm mit den Händen, dass ich nicht im Dienst war. Aber er ließ nicht locker, ich verriegelte die Türen und sah ihn verärgert an. Er zeigte mir den Stinkefinger, ich war sprachlos.
    Der zweite Mann setzte sich einfach auf die Rückbank. Auch ihm erklärte ich, dass ich nicht im Dienst sei. Ihr

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