Spinnen füttern
wenig durch die Stadt gehen, aber diese Karnevalisten mit ihren Masken und Kostümen haben mir Angst gemacht. Ich bin nach Hause gelaufen, so schnell ich konnte, ich habe die Tür hinter mir verriegelt. Dann dachte ich auf einmal, sie sind schon im Zimmer. Tust du mir diesen Gefallen, bitte? Außerdem habe ich versprochen, ihm eine Halskette zurückzugeben, sie hat seiner Großmutter gehört. Er möchte sie wiederhaben. Gibst du sie ihm? Hier. Ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen. Es tut mir leid, dass ich schon wieder heulen muss … ich heule die ganze Zeit … Er hat gesagt, der Wagen sei in der Werkstatt, sonst hätte er die Bücher selbst vorbeigebracht. Bestimmt lügt er. Er hat gesagt, dass er auswandern will. Er hat gekündigt, er versucht gerade, das Haus zu verkaufen … Bitte tu mir den Gefallen, Fly … Mir geht es nicht gut. Wieder standen ihr die Tränen in den Augen.
Ich legte die Kette ins Handschuhfach und fuhr zum Haus von Marys Ehemann. Die Fahrt dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Die Häuser in den Vororten waren Variationen eines Themas, sie sahen alle mehr oder weniger gleich aus. Ich würde mich lieber in eine Kanone stecken und abschießen, sagte ich mir, als mich in so einer Vorortfalle aus Pappschachteln und Tratsch fangen zu lassen, ich würde lieber Elefantenscheiße schaufeln, als in dieser eintönigen Welt zu versauern, ich würde lieber in Houdinis Aquarium ertrinken oder mich von Pferden zertrampeln lassen oder eine Raubkatze in einem Käfig vergewaltigen, mit den unausweichlichen Folgen.
Ich hielt an einer Tankstelle und rief Otto an. Diesmal war er zu Hause. Otto, Alter, sagte ich, könnte der liebe, tapsige Clown in einer Dreiviertelstunde zum Abholen bereit sein?
Wer ist denn der Gastleser heute?, fragte er.
Einer, der Bücher hasst, sagte ich.
Ich werde dafür sorgen, dass er es besonders gut macht, antwortete Otto.
Aber sanft, sagte ich, ganz sanft.
Mach ich. Welche Lektüre schlägst du denn vor?
Wie wäre es mit Bölls Ansichten eines Clowns ? Der Titel wäre auf jeden Fall passend …
Ja, aber Fly, ich habe dieses Buch nicht, wo kriege ich das jetzt her?
Fahr zu mir, sagte ich, den Schlüssel hast du ja. An dem Schlüsselbund ist übrigens auch noch der Ersatzschlüssel vom Taxi, verlier ihn also nicht. Die Leute klauen lieber Autos als Bücher. Such dir irgendeine Stelle aus, aus irgendeinem Buch.
Die Belletristik ist nicht so gut wie ihr Ruf, Fly. Wir haben ja darüber gesprochen. In der Zeit, die diese beknackten Romanautoren brauchen, um ein paar poetische Gedanken darzulegen, sterben tausend Kinder an Unterernährung. Wir brauchen etwas Hartes, Direktes, nur das zählt. Findest du nicht, Fly?
Ich bin trotzdem für Geschichten. Man sollte die Macht der Phantasie nicht unterschätzen.
Wie du meinst. Ich sehe mal, was ich finde.
Wir treffen uns in der Gasse hinter der Bar, sagte ich, in einer Stunde.
Ich fand das Haus des Ehemanns und klopfte an die Tür. Der Mann öffnete und sah mich von oben bis unten an. Bevor ich etwas über die Bücher sagen konnte, runzelte er die Stirn und zeigte auf einige Kartons, die im Flur in einer Ecke standen.
Würden Sie bitte die Schuhe ausziehen?, sagte er.
Das macht es etwas kompliziert, wenn ich immer rein- und rausgehen muss, sagte ich.
Na ja, das ist aber die Regel, mit Schuhen kommt hier keiner rein.
Heute müssen wir diese Regel leider brechen, sagte ich.
Haben Sie die Kette dabei?
Also, Mary hat es sich anders überlegt, sie würde Ihnen die Kette lieber selbst geben, sie ist ja offenbar sehr wertvoll. Sie hat mich gebeten, Sie abzuholen.
Ich dachte, sie würde Ihnen vertrauen. Zumindest genug, um mit Ihnen zu ficken.
Hören Sie, ich bin auf der Durchreise, ich nehme, was kommt. Kommen Sie mit?
Na gut. Ihre Schuhe hätten Sie trotzdem ausziehen können.
Wir fuhren in die Stadt, er steckte sich eine Zigarette an.
Rauchen ist nicht erlaubt, sagte ich.
Er sah mich an und sagte: Ich dachte, heute ist der Tag, an dem die Regeln nicht gelten.
Da haben Sie wohl recht, Mister …?
Sie möchten wissen, wie ich heiße?
Sie sind zu nichts verpflichtet.
Ich heiße Chad. Sie hätten natürlich auch meine Frau fragen können.
Warum sollte ich ihr wehtun?, sagte ich.
Ich mag Sie, Mister … und wo steht eigentlich Ihr Name? Ich sehe Ihre Lizenz nicht, hängt die nicht normalerweise am Armaturenbrett?
Machen Sie sich über die Lizenz keine Gedanken, ich bin gerade nicht im Dienst. Nennen Sie mich
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