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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rawi Hage
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Welt von Jenseits und Tod. Das war alles, was ich lesen konnte, als ich aufschlagen wollte, zog er es weg. Eines Tages darfst du es lesen, tröstete er mich.
    Von dem wenigen Geld, das wir auf der Straße verdient hatten, mietete Pips ein Zimmer. Er gab sich als Medium aus und behauptete, mit Geistern in Verbindung zu stehen. Wir lebten von älteren Damen, die gerade ihre Männer verloren hatten, von Müttern, die mit ihren im Kriegsgewirr verschollenen oder auf dem Grund des Meeres ruhenden Söhnen sprachen, wir nahmen mit unauffindbaren Geliebten Kontakt auf, mit Ehefrauen, Hunden, Söhnen und Töchtern aus dem Jenseits. Pips bat jedes Mal um eine Empfehlung, wenn neue Kundinnen anriefen, um einen Termin zu machen, er tat sehr seriös und machte sich wichtig. Er fragte nach Namen und Geburtsjahr und sagte, er würde sich melden. Dann schickte er mich in die Bibliothek, ich suchte alte Adressen und fand heraus, was sie taten und wie sie lebten. An den Nachmittagen spazierten wir manchmal zu den Häusern, in denen die Damen aufgewachsen waren, wir sahen uns die Bäume an und beobachteten die spielenden Kinder, wir notierten die Farben der Fensterrahmen, die Lage der Wiesen und der Kabelmasten. Manchmal gingen wir im Ort in eine Bar oder ein Café und sprachen mit den Leuten. Nichts ist leichter, als einen Toten zu beschwören, er hinterlässt eine Menge Spuren. Sein Leben hat Bonbonläden berührt und Parkbänke, Brunnen und Schotterstraßen und vertrocknete Gräber. Pips hat einmal gesagt: Die Toten sind das, was wir aus ihnen machen.
    Wir dämpften das Licht in unserem gemieteten Zimmer, brachten schwere Samtvorhänge an und stellten Tische und Stühle für unsere Séancen auf. Wir kauften einen billigen Schädel und präparierten ihn mit dünnen Fäden. Meinen eigenen dunklen Geist versteckte ich hinter einer Schranktür, von wo aus ich den Schädel zum Sprechen und Zittern brachte. Wir bauten eine Holzkiste, hängten eine Glocke hinein und schoben sie unter den Tisch. Wenn man leicht dagegentrat, klingelte es, und wenn der Geist bereit war zu sprechen, fasste Pips seine Kundinnen am Arm und forderte sie auf, ein Stück vom Tisch abzurücken. Sie mussten sich an die Hände nehmen, die Augen schließen und ihre Körper nach vorn sinken lassen. Pips schob mit der Stirn den wackligen, quietschenden Tisch an und trat leicht gegen die Kiste.
    Später schmierten wir die Scharniere der Schranktür, damit ich lautlos aussteigen konnte. Wenn eine Kundin angekündigt war, nahm ich einige verschlossene Umschläge und setzte mich in den Schrank. Während der Sitzung bat Pips die Kundin, eine Frage an den Verstorbenen zu formulieren und aufzuschreiben. Sie steckte die Karte in einen Umschlag und klebte ihn zu. Pips nahm ihn, die Kundin konzentrierte sich und schloss die Augen, jetzt tauschten wir die Umschläge. Nun durfte die Dame die Augen wieder öffnen und die Antworten der Geister lesen. Wir hielten es immer recht vage, vergaßen aber nie, einige Hinweise auf den Ort zu verstecken, den wir am Tag zuvor besucht hatten. Das einzig Unheimliche an der Sache waren wir.
    Pips traf sogar Absprachen mit dem Bestattungsunternehmer. Er versprach, ihm hin und wieder Kunden zu schicken, die ihren Hinterbliebenen neue, teurere Grabsteine spendieren wollten. Er bekam dann natürlich einen Anteil. Wir schrieben also Anweisungen wie Ersetze den weißen Stein oder Der Brunnen, Ich bin hier glücklich oder Großpapa . Ich saß derweil im Schrank, immer bemüht, nicht zu laut zu atmen, nicht zu niesen, nicht zu lachen und nicht vor Mitgefühl zu heulen.
    Eine Zeit lang lief das Geschäft gut, wir hatten reichlich zu essen. Pips leistete sich einen neuen Anzug und brachte Blumen mit nach Hause. Doch eines Tages bedrohte mich die Bärtige Dame, mit Stock und Seil bewaffnet, drängte sie mich in eine Ecke und zwang mich, alles zu beichten. Das Geld, sagte ich, stammt aus den unerfüllten Wünschen alter Damen und der Verzweiflung der Waisen, wir nehmen es von weinenden Müttern und greisen, einsamen Witwern. Nur Priester und Scharlatane wagen es, den Lebenden zu versprechen, dass für ihre Toten gesorgt wird, sprach die Bärtige Dame und rang mit den Tränen. Wir mögen Narren und Zauberer sein, Seiltänzer und Clowns, aber eines sind wir nicht: Schwindler, die den Verzweifelten mit Lügen Geld aus der Tasche ziehen. Sie verschwenden dann ihr letztes Geld darauf, in Séancen und in dunklen Kammern zu hocken, sie hoffen ein Leben lang, dass

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